Wie fühlen sich Menschen, die sich aus Schrott und Fundsachen einen Schutz für die Nacht bauen müssen? Dieser Frage sind jüngst 50 Erasmus-Stipendiatinnen und -Stipendiaten aus den Niederlanden in Lichtenberg nachgegangen. Zwei Tage lang konstruierten, hämmerten und klebten die 18- bis 22-Jährigen auf dem Gelände der BLO-Ateliers im Kaskelkiez Hütten. Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Die Linke) besuchte sie dabei.

Eigentlich sollte der internationale Austausch in Kreuzberg stattfinden. Doch den dort ansässigen Kreativen wurde gekündigt. „Ich freue mich, dass die Lichtenberger BLO-Ateliers kurzerhand eingesprungen sind, um das Projekt zu ermöglichen“, so der Bezirksbürgermeister.

Neben den Studierenden und den Dozenten von der Rijnijssel-Universität in Arnheim und den BLO-Ateliers waren auch der Verein „Czentrifuga“ und der „Obdachlosenverein Unter Druck-Kultur von der Strasse“ am Projekt beteiligt. Vereinsmitglied Yt erklärt: „Uns ist wichtig zu zeigen, dass man auch aus Müll etwas machen kann“. Der Verein betreibt eine Siebdruckwerkstatt unter dem Motto „Jekami“: Jeder kann mitmachen. Die Vereinsmitglieder hatten für den Erasmus-Workshop alte Schilder, Holzbalken, Teppichreste und anderes Material für den Bau der Behausungen besorgt. Außerdem unterhielten sich ehemalige Obdachlose mit den jungen Niederländern über ihre Zeit auf der Straße. „Sie haben uns ihre traurige Geschichte erzählt und uns ist klar geworden, dass es jeden treffen kann“, so die 18-jährige Britney.

„Die meisten unserer Studierenden aus den Bereichen Kunst, Design, Innenarchitektur und Raumdesign kommen aus sehr behüteten Verhältnissen. Für sie ist es kaum vorstellbar, dass Menschen auf der Straße leben müssen“, erzählt Ineke Sadée. Sie ist Dozentin für Internationales in der Abteilung Kreativindustrie der Rijnijssel-Universität. „Durch Projekte wie diese lernen unsere Studierenden was es heißt, sich zivilgesellschaftlich zu engagieren“, so Sadée.

Ihre Kollegin und Projektleiterin Marciana Timmermans erklärt die Idee: „Die Studierenden hatten die Aufgabe, etwas zu bauen, in dem eine Person schlafen kann, einen Ort, in dem es Beleuchtung gibt und einen Platz, um Essen und Trinken aufzubewahren. Außerdem sollten die Schlafstätten dekoriert sein.“ Die Ergebnisse konnten sich sehen lassen. „Die größte Herausforderung bestand darin, zu improvisieren und etwas daraus zu schaffen, was da ist, statt es im Baumarkt zu kaufen“, erklärt die 22-jährige Celina. „Allerdings durften wir Bohrmaschinen und Klebepistolen benutzen und die haben Obdachlose natürlich nicht.“ Nach dem zweitägigen Workshop musste alles Gebaute wieder abgerissen werden. Doch eine Fortsetzung ist geplant. Marciana Timmermans sagt: „Vielleicht können wir die Behausungen beim nächsten Mal tatsächlich Obdachlosen zur Verfügung stellen.”