Seit fünf Jahren können Menschen, die früher suchtabhängig waren, im Sewankaufhaus arbeiten

Von Weimarer Porzellan über das trendige Miniröckchen bis zur Schrankwand aus Kiefernholz – im Sewankaufhaus gibt es nichts, was es nicht gibt. Trotzdem lässt sich der Einkauf dort nicht planen: Denn der Zufall entscheidet, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dem großen Ladengeschäft in die Regale legen oder auf die Kleiderbügel hängen.Alles, was im Sewankaufhaus wochentags zwischen 9 und 18 Uhr und sonnabends von 9 bis 15 Uhr über die Ladentheke geht, haben Menschen aus der Umgebung gespendet. Von Möbeln über Bekleidung bis hin zu Hausrat und Elektrogeräten ist alles dabei. „Wir legen Wert darauf, dass wir kein Secondhand-Laden sind, sondern ein ganz normales Kaufhaus“, betont Wolfgang Kuleßa.

Er hat das besondere Geschäft in der Alt-Friedrichsfelder Sewanstraße  186 im Oktober 2011 eröffnet, um ehemals Alkohol- oder Tablettenabhängigen und auch Spielsüchtigen eine zweite Chance zu geben. „In Kliniken und anderen Einrichtungen werden suchtkranke Menschen oft nur so lange betreut, bis sie wieder einigermaßen fit sind. Bei uns erhalten sie auch im Anschluss noch einen strukturierten Tagesablauf“, sagt Kuleßa. Außerdem wird durch die regelmäßige Tätigkeit die Abstinenz stabilisiert.

Die 32 beschäftigten Zuverdiener lernen Kontakte zu knüpfen und entwickeln neue Beschäftigungsperspektiven. Manche von ihnen sind 20 Jahre lang keiner regulären Arbeit nachgegangen.  Bezirksbürgermeisterin Birgit Monteiro (SPD) hat Wolfgang Kuleßa vor kurzem besucht und lobt sein Engagement: „Im Sewan-Kaufhaus herrscht eine tolle Atmosphäre. Und der Laden brummt, obwohl jede Existenzgründungsberatung wahrscheinlich von dem Standort in der Sewanstraße 186 abgeraten hätte. Denn das ist keine Gegend für Laufkundschaft. Trotzdem strömen weniger Betuchte und auch durchaus Betuchte dort hin. Das liegt sicher auch an Gründungsvater und Leiter Wolgang Kuleßa und seinen Mitstreitern aus dem Zuverdienstbereich für Suchtkranke.“ Für 1,20 Euro pro Stunde sortieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kleiderberge, reparieren Kleinelektronik oder schrubben Edelstahl, bis es wieder nagelneu aussieht. Vier Anleiter und Anleiterinnen unterstützen sie dabei.

Eine von ihnen ist Monika Trekopf. Angefangen hat sie als Zuverdienerin, inzwischen ist sie eine der wenigen Festangestellten. Die 58-Jährige kümmert sich um die Textilien. „Ich muss etwa 50.000 Teile durchsortieren, um 4.000 Kleidungsstücke zu finden, die sich noch verkaufen lassen“, erzählt sie. Schon seit fünf Jahren ist die ehemalige Drogeriefachverkäuferin dabei. Als sie anfing, hatte das Kaufhaus in der Sewanstraße gerade neu eröffnet: „Es ist eine schöne und vor allem vielseitige Aufgabe. Jeder darf alles machen: von der Dekoration bis zur Kasse. Außerdem sind die Kollegen nett und mit der Kundschaft wird es nie langweilig.“

Denn die unterschiedlichsten Menschen kaufen im Sewankaufhaus ein: „Vierzig Prozent von ihnen sind bedürftig, darunter viele Rentner“, weiß Kuleßa. Wer seinen Bescheid oder den Berlinpass vorzeigt, bekommt im Sewankaufhaus 30 Prozent Rabatt. „Aber kürzlich ist auch jemand mit einem Bentley vorgefahren“, erinnert er sich. Doch egal ob Nobelkarossenbesitzer oder mittelloser Ruheständler – eine Stippvisite lohnt sich für jeden. Kußela stellt immer wieder kuriose Dinge im Laden aus – wie beispielsweise Eletrogeräte aus der ehemaligen DDR.

Bis zu 800 Artikel werden täglich nachgelegt, sobald Platz da ist.  „Nachschub“ kommt laufend, die Spendenbreitschaft ist hoch. Und wendet sich ein Flüchtlingswohnheim an Kuleßa mit bestimmten Wünschen, gibt er die Dinge gerne weiter, wenn er die gesuchten Waren hat. „Bei aller Bereitschaft überall zu helfen, müssen wir uns aber auch von unseren Einnahmen finanzieren“, erklärt er. Und das klappt inzwischen ganz gut.

Weitere Infos: www.spi-aundq.de/berlin-sewan