Kabarettist Christian Ehring über Selbstmotivation, den Umgang mit der AfD und sein aktuelles Programm.

Herr Ehring, „Der Eddi” wurde 1981 erstmals an den deutsch-deutschen Kabarettisten Edgar Külow vergeben. Sie nehmen ihn im Oktober in Lichtenberg entgegen. Was bedeutet Ihnen ein solcher Preis?

Christian Ehring: Ich freue mich ganz einfach, wenn jemand sagt, wir finden schön, was Du machst und möchten das gerne würdigen. Außerdem bin ich froh, dass ich dadurch wieder etwas Neues gelernt habe. Denn Edgar Külow war mir vorher kein Begriff. Durch meine Westbiografie habe ich vieles in der DDR leider nicht mitbekommen. Aber jetz habe ich mir ein paar Sachen angeguckt und wurde im Vorfeld der Auszeichnung auch von Edgar Kühlows Söhnen mit Material bemustert. Ich fand die Art des Kabaretts, wie Edgar Külow mit seiner Meinung quer zum Mainstream gestanden hat, sehr sympathisch.

Wie sind Sie beim Kabarett gelandet?

Christian Ehring: Ich glaube tatsächlich, übers Fansein. Ich habe Kabarett im Fernsehen gesehen und mich dann mit Freunden zusammen getan, die ähnliche Ambitionen hatten. Wir waren damals 18 und standen kurz vor dem Abi. Da haben wir uns einfach vor ein paar Bekannten und Verwandten, die bereit waren, sich das mal anzugucken, auf die Bühne gestellt. Dadurch habe ich sehr früh sehr viele Anfängerfehler gemacht und konnte mich dann ganz langsam weiter entwickeln.

Sie haben anfangs vor sehr kleinem Publikum gespielt: Zehn Jahre lang vor 20 bis 80 Zuschauern. Wie haben Sie sich damals motiviert?

Christian Ehring: Das war nicht immer leicht: Mit 30 hatte ich so einen kleinen Tiefpunkt und da dachte ich mir, noch macht mir das Alles Spaß. Aber ich weiß nicht, ob das immer noch so ist, wenn ich 50 bin. Damals hatte ich beispielsweise fünf Auftritte in Berlin und zwei davon wurden gestrichen, weil dafür zu wenig Karten verkauft wurden. Es war schwer, so über die Runden zu kommen. Da habe ich mir ein zweites Standbein als Kabarett-Autor aufgebaut. Und das hat mich finanziell gerettet.

Mitte Oktober stehen Sie mit dem Soloprogramm „Keine Fragen” auf der Bühne des Berliner BKA-Theaters. Was erwartet die Zuschauer?

Christian Ehring: Das ist eine Mischung aus aktueller Stand-up-Comedy wie ich sie auch für „extra3″ mache. Ich erzähle dort eine Geschichte, die vermeintlich von mir selbst handelt: Der Sohn zieht aus und ein Zimmer wird frei und meine Frau sagt, lass uns doch mal einen Flüchtling aufnehmen. Und ich aktiviere dann alles in mir, was dagegen spricht – auch wenn ich es aus Überzeugung eigentlich richtig finde. Es geht dabei um Besitzstandswahrung und moralisches Handeln, aber auch um Gesinnungsethik und die eigene Denkfaulheit. Das Programm ist insgesamt etwas persönlicher und zweifelnder, als das, was ich im Fernsehen mache.

Warum machen Sie Kabarett?

Christian Ehring: Am meisten mag ich es, Salz in Wunden zu streuen, von denen die Zuschauer gar nicht wussten, dass sie die haben. Verunsicherung bei meinem Publikum zu erzeugen, ist mir lieber, als eine politische Nachricht zu vermitteln. Ich möchte die Zuschauer natürlich auch zum Nachdenken anregen, aber es ist mir wichtig, ihnen selbst zu überlassen, welche Botschaft sie sich daraus ziehen.

Ist es heute, in politisch turbulenten Zeiten, in denen extremistische Parteien in Europa auf dem Vormarsch sind, schwieriger, politisches Kabarett zu machen als früher?

Christian Ehring: Ja, es ist schwieriger, aber auch interessanter. Bis 2000 gab es einen eindeutigen Konsens, was man als gemäßigter, linksliberaler Satiriker gut zu finden hat. Das ist heute breiter gefächert. Es gibt wenig offensive AfD-Sympathisanten auf der Bühne, aber es gibt insgesamt schon Themen, die viele Kollegen anders bewerten – wie beispielsweise das, was Putin macht. Da gibt es wahnsinnige Unterschiede in der Bewertung zwischen Ost und West, aber auch ganz individuell. Das finde ich interessanter als früher.

Und wie steht es um den Umgang mit der AfD?

Christian Ehring: Wir verspotten sie natürlich und versuchen, mit Häme gegen sie anzugehen. Aber im Inneren ist mir ganz klar, dass das nicht hilft. Ich vermute, man müsste da viel mehr aufeinander zugehen und Ängste verstehen. Wenn sich manchmal so ein kleines Gespräch mit politisch anders Denkenden ergibt, dann spüre ich da oft sehr viel Angst und Verletzung.

Vielleicht ist dagegen Satire gar nicht das richtige Mittel. Besser wäre es, etwas für den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu tun, etwas, das nicht so sehr polarisiert.