Auch in Zukunft arbeitet der Bezirk daran, sein Zertifikat zu behalten.

Lichtenberg ist familiengerecht. Das hat der Verein „Familiengerechte Kommune“ dem Bezirk 2015 mit einem Zertifikat bestätigt. Zurzeit steht die Verwaltung erneut auf dem Prüfstand: Es wird Bilanz gezogen, damit der Bezirk das Zertifikat weiterhin tragen darf. Beatrix Schwarze ist Geschäftsführerin des Vereins „Familiengerechte Kommune“. Sie sprach mit Barbara Breuer über die Alltagsauswirkungen eines solchen Zertifikats, die Erfolge der familiengerechten Kommune und die Aufgaben für die kommenden Jahre.

Frau Schwarze, Ihr Verein hat Lichtenberg 2015 als ersten Bezirk in Berlin als familiengerecht ausgezeichnet. Aktuell läuft die Rezertifizierung für die kommenden Jahre. Was bringt das so genannte „Audit familiengerechte Kommune“ den Menschen in ihrem Alltag?

Beatrix Schwarze: Auf den ersten Blick wirkt das „Familienaudit“ erst einmal sehr theoretisch. Die Lichtenberger Verwaltung aber hat sich dieses Zertifikat erarbeitet, indem sie viele Dinge umgesetzt oder verbessert hat, die für Familien wichtig sind. Da fällt mir das Familienbüro ein, das bereits eröffnet wurde oder das „Büro 55plus“, das demnächst seine Arbeit aufnimmt, um Menschen in ihrer zweiten Lebenshälfte zu beraten. Auch die Homepage oder die neue Bezirksbroschüre zeigen den Menschen sehr schnell und übersichtlich, was es überhaupt alles gibt und wen sie ansprechen können, wenn sie ein Anliegen haben. Außerdem gibt es im Bezirk einen lebendigen Austausch zwischen Verwaltung und Lichtenbergerinnen und Lichtenbergern. In der Vergangenheit konnten die Menschen bei den Stadtteil-Konferenzen ihre Wünsche und ihre Kritik äußern. Aktuell haben sie bei den Stadtteildialogen die Möglichkeit dazu. In Lichtenberg hören die Politikerinnen und Politiker und die Verwaltung hin, wenn Interessierte Dinge hinterfragen oder mitgestalten wollen.

Unterscheiden sich denn Kommunen mit und ohne Zertifikat tatsächlich voneinander?

Beatrix Schwarze: Ja, bei zertifizierten Gemeinden und Städten wird tatsächlich geguckt, was Familien brauchen. Oft kann man das nicht auf den ersten Blick erkennen, aber beim zweiten Hinschauen sieht man, dass in Lichtenberg beispielsweise Bildungsverbünde gegründet wurden. Sie sorgen dafür, dass der Übergang von den Kitas in die Grundschulen und die weiterführenden Schulen besser klappt. Das alles kommt am Ende den hier lebenden Familien zugute.

Was ist Lichtenberg aus Ihrer Sicht besonders gut gelungen?

Beatrix Schwarze: Der Bezirk hat ein wirklich gutes Datenmanagement und das ist die Grundlage für vieles. Denn so kann die Verwaltung entsprechend dem Bedarf handeln. Aus den Fakten über den Bezirk und die dort Wohnenden wird schnell sichtbar, wie viele hochbetagte Menschen wo leben und welchen Unterstützungsbedarf sie haben. Auch haben Politik und Verwaltung im Blick, wo viele alleinerziehende Transferleistungsempfängerinnen und -empfänger oder beeinträchtigte Menschen sind. Genau dort können dann auch die entsprechenden Angebote und Hilfen für diese Zielgruppen entstehen.

Was hat es denn für einen Vorteil, wenn eine Kommune nicht nur behauptet „Wir sind familienfreundlich“ sondern ein Zertifikat dahinter steckt?

Beatrix Schwarze: So ein Zertifikat ist wie ein gutes Zeugnis, es verschafft dem Träger mehr Selbstbewusstsein. Innerhalb des Bezirks macht es allen Beteiligten – von der Politik über die Verwaltung bis hin zu den Menschen, die dort leben – bewusst, dass Familien wichtig sind und dass Familiengerechtigkeit wichtig ist. Außerdem schauen beispielsweise Unternehmen, die sich irgendwo ansiedeln wollen, wie dort die Bedingungen für ihre Arbeitskräfte und deren Familien sind. Und letztendlich geht es ja auch um die Frage, welchen Ruf ein Bezirk hat. So ein Audit trägt auf jeden Fall dazu bei, das Image von Lichtenberg zu verbessern.

Das Audit unterliegt ja einem ständigen Wandel. Sie passen sich auch der Zeit an. Welches sind die brennendsten Themen im Bereich Familienfreundlichkeit?

Beatrix Schwarze: Das Thema Wohnungsbau steht aktuell fast überall auf der Agenda. So nutzen wir beispielsweise in einem Pilotprojekt in Nordrhein-Westfalen Wohnungsbaugesellschaften als Motor für die Quartiersentwicklung. Ein weiteres herausragendes Thema ist auf jeden Fall die Integration. Und zwar die der Menschen, die schon vor längerer Zeit gekommen sind und die jener, die erst seit kurzem bei uns leben. Dabei bewegt uns die Frage: Wie kann man erreichen, dass sich die Alteingesessenen mit den Neuankömmlingen wohlfühlen und umgekehrt?

Lichtenberg ist der einzige familiengerecht zertifizierte Bezirk in Berlin. Gibt es andere, die sich ebenfalls auf den Weg gemacht haben?

Beatrix Schwarze: Nein, bisher leider noch nicht.

Was macht Lichtenberg aktuell, um die Zertifikatsverlängerung zu bekommen?

Beatrix Schwarze: In Lichtenberg schauen wir gemeinsam mit Politik und Verwaltung, was in den letzten vier Jahren in puncto Familiengerechtigkeit erreicht worden ist. Und dann blicken wir auf die nächsten Jahre: Um welche Bedürfnisse sollte sich der Bezirk schwerpunktmäßig kümmern? Wo liegen die Prioritäten? Dazu wird es ab Ende September Workshops geben mit Politik, Verwaltung, Trägern und Vereinen aber auch mit den Menschen, die in Lichtenberg leben. Mitte 2019 soll es dann neue Ziele geben, die Politik und Verwaltung dann innerhalb von drei Jahren umsetzen sollen. Danach wird der Bezirk das Zertifikat dann hoffentlich nachhaltig in Selbstverantwortung weiter führen.

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