Der inklusive Sportverein Pfeffersport e. V. hat den Lichtenberger Inklusionspreis gewonnen

Rollende Reifen, fröhliche Kinder und ein Hindernisparcours aus Hütchen und Hula-Hoop-Reifen: So sieht das Projekt „Rollisport bewegt Schule“ vom Verein „Pfeffersport“ aus.
Seit 2013 rückt der inklusive Sportklub einmal im Jahr mit 30 Rollstühlen und zwei Übungsleitern im Barnim Gymnasium an. Nur wenig später sausen die Jugendlichen und ihrer Lehrer durch die Turnhalle. Keiner von ihnen ist auf den Rollstuhl angewiesen: Sie alle können laufen. Anders als die Übungsleiter, die ihnen das Rollifahren beibringen und aus ihrem Leben erzählen.
„Rollisport bewegt Schule“ fördert das Verständnis der Teilnehmenden für Menschen mit Handicap und baut durch einen Perspektiv-Wechsel Berührungsängste ab. „Außerdem können alle den Rollstuhl als Sportgerät ausprobieren und machen dann später vielleicht sogar Inklusionssport bei uns im Verein“, hofft Christoph Pisarz. Er kümmert sich bei Pfeffersport um die Hallenzeiten und hat jüngst zusammen mit Pfeffersport-Presse-Referent Marc Schmid den Inklusionspreis des Bezirks Lichtenberg entgegen genommen. Der Bezirksbürgermeister hat die Urkunde und das Preisgeld in Höhe von 1.000 Euro im Kulturhaus Karlshorst verliehen: „Wir wollen Inklusion in allen Bereichen, auch durch den Sport“, sagte Michael Grunst (Die Linke) bei der Verleihung. „Mit dem Inklusionspreis 2018 ehren wir eine Initiative, die sich eben das vorgenommen hat – gemeinsames und gleichberechtigtes Sporttreiben für alle.“ Denn bei „Pfeffersport“ ist das, wovon viele noch träumen, bereits Realität: Im Bezirk und ganz Berlin bietet der Verein seit 25 Jahren inzwischen rund 4.600 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen inklusive Trainingsangebote an. Und hat sich mit seinen mehr als 50 unterschiedlichen Sport- und Bewegungsarten zu einem der größten Kinder- und Inklusionssportvereine Berlins entwickelt.

„Pfeffersport ist ein Freizeit- und Breitensportverein, in dem alle Altersklassen, alle sozialen Schichten, Menschen mit und ohne Handicaps miteinander Sport machen. Jedem wird nach seinen Möglichkeiten und Stärken eine sportliche Betätigung und Partizipation ermöglicht“, so das Leitbild. Christoph Pisarz erklärt: „Damit ist gemeint, dass Jeder und Jede im Sportverein und bei den Sportangeboten mitmachen kann und soll. Der Schwerpunkt bei uns liegt insbesondere auf jenen, die aus verschiedenen Gründen ausgegrenzt sind und weniger Zugang zu sportlichen Aktivitäten haben wie Mädchen oder Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund und Behinderung.“  Indem der Verein diese Menschen stärkt, hilft er, eine stabile Gesellschaft zu schaffen. Einmal pro Woche treffen sich beispielsweise die Teilnehmenden des Kurses „Selbstverteidigung inklusiv“ beim Verein für ambulante Versorgung in Hohenschönhausen. Einmalig in Berlin: Männer und Frauen mit und ohne Rollstuhl lernen dort seit 2015 die Kunst des Ninjutsu. „Das Ziel ist es, sich regelmäßig sportlich zu betätigen und auf Notsituation im Alltag vorbereitet zu sein“, erklärt Trainer Axel Franke. Der 52-Jährige erarbeitet mit den Teilnehmenden Bewegungsabfolgen. „Denn jeder hat eine andere Einschränkung“, erklärt er. Ronja kann beispielsweise mit Orthesen stehen, Christoph, Matthi und Thorsten sitzen im Rollstuhl und Doreen ist nichtbehindert. Sie demonstriert mit Axel viele Übungen. Dann geht der Trainer von einem zum anderen und greift an. Dabei ist Axel Franke nicht zimperlich: Er attackiert Rollstuhlfahrer Matthias „Matthi“ Zeisberger von hinten. Der reagiert blitzschnell, zieht den Arm des vermeintlichen Aggressors über seinen Kopf und reist den sportlichen Mann mit wenigen Handgriffen zu Boden. Kinderleicht sieht das aus. Doch dahinter steckt viel Arbeit.

Vor zwei Jahren ist Matthi aus Hessen nach Berlin gezogen. Seitdem ist er einmal wöchentlich dabei. Durch das regelmäßige Training ist es Matthi gelungen, die Bewegungsabfolge zu automatisieren. „Ich bin schon einmal angegriffen worden und habe dann reflexartig so reagiert wie hier. Damit hatte sich mein Problem dann erledigt“, erzählt er mit einem verschmitzten Lächeln. „Wer denkt verliert!“, bläut Trainer Axel Franke seinen Schützlingen ein. Denn bei einem Angriff muss schnell gehandelt werden. Der 52-Jährige ist ein Meister seines Faches und zeigt den Kurs-Teilnehmenden, wie sie sich auf der Straße in den verschiedensten Situationen verteidigen können. „Habe ich jetzt jeden einmal gewürgt?“, fragt er. Dann geht es zur nächsten Übung.
Christoph Pisarz hat den Kurs mit Axel Franke gegründet. Er weiß: „Pfeffersport würde gerne weitere inklusive Sportangebote insbesondere für Kinder und Jugendliche im Bezirk anbieten.“ Michael Grunst will sich für mehr Hallenzeiten einsetzen. Das freut die Kursteilnehmer, die nach dem Training oft noch gemeinsam etwas essen oder trinken. Zusammen gemeinsam Zeit verbringen – auch dafür steht der Verein. Matthi erklärt: „Der Selbstverteidigungskurs hat mir zu einem neuen körperlichen Bewusstsein und zu sozialen Kontakten verholfen. Pfeffersport hat mein Leben verändert.“

Fotos: bbr