In Berlin gibt es immer weniger Insekten und heimische Pflanzen: Viele Schmetterlinge, Vögel und Störche müssen hungern.

Auf den ersten Blick sind sie grundverschieden, doch Zitronenfalter, Haussperlinge und Störche haben eines gemeinsam: Sie finden in Berlin kaum noch Nahrung.
„Die Hauptstadt war einst der Hotspot der Artenvielfalt. Doch diese Zeiten sind längst vorbei“, sagt Umweltstadtrat Wilfried Nünthel (CDU). Ein Grund dafür ist der anhaltende Zuzug von Menschen in die Hauptstadt. „Wir müssen uns überlegen, wo wir für diese Menschen Wohnraum schaffen und da sind Kompromisse oft nicht möglich“, erklärt er. Dort, wo gebaut wird, verschwinden Grünflächen, Brachen und Wiesen – und mit ihnen die Nahrungsquellen für viele Insekten und Vögel. „Es ist ruhig geworden in Deutschland: Die Artenvielfalt ist bedroht und es brummt vielerorts nicht mehr so wie früher“, erklärt Doreen Hantuschke vom Umweltbüro Lichtenberg. Die Auswirkungen sind bereits im Alltag spürbar: Es landen kaum noch Insekten auf der Windschutzscheibe und auch um Straßenlaternen und -lampen finden des Nachts keine Mückentänzchen mehr statt. Selbst der anmutige Flug von Zitronenfaltern ist nur noch selten zu beobachten. Doreen Hantuschke weiß: „In den letzten 20 Jahren ist die Menge an Insekten in Deutschland um bis zu 75 Prozent zurückgegangen.“ Für Störche ist das fatal. Ein Storchenpaar braucht allein 200 Kilogramm Insekten, um zwei Jungstörche groß zu ziehen. Diese Mengen sind in Berlin kaum noch vorhanden. Und so haben sich weder im vergangenen noch in diesem Jahr Störche zur Brut in Malchow niedergelassen.

Beate Kitzmann weiß warum. Sie leitet dort den Naturhof Malchow. Denn auch den Insekten fehlt das Futter: „In den Neubaugebieten pflanzen die Leute am liebsten Rosen, Rasen und Rhododendron. Das sieht nett aus und macht wenig Arbeit. Doch leider fehlen den hübschen Zierpflanzen die Pollen, weil sie gefüllte Blüten haben. Die sind lediglich ein Schmaus fürs menschliche Auge aber nicht für die Insekten.“ Und so liegen immer wieder zahlreiche tote, verhungerte Hummeln am Boden oder unter Bäumen.
Sie wünscht sich, dass die Menschen wieder einheimisch Bäume, Sträucher und Stauden pflanzen. „Viele Insekten haben sich im Laufe der Evolution auf besondere Nahrung spezialisiert. Sie können nicht einfach zu exotischen Ziersträuchern wechseln.“ So brauchen Zitronenfalter beispielsweise den Faulbaum oder Kreuzdorn zur Eiablage. Wo diese Gewächse fehlen, gibt es auch den gelben Gefährten aus Kindheitstagen nicht mehr. Beate Kitzmann warnt, dass auf die Kommunen künftig enorme Kosten zukommen: „Es wird deutlich unterschätzt, was Insekten auf vielen Ebenen im Ökosystem leisten: Sie bestäuben Blüten, regulieren den Schädlingsbefall und helfen sogar bei der Wasserreinigung.“ Auch das Bezirksamt Lichtenberg ist sich dieses Problems bewusst: „Wir müssen uns in den kommenden Jahren dringend mit dem Insektensterben beschäftigen“, sagt Wilfried Nünthel. Nachhaltige Strategien will er für den Umgang mit Lichtenberger Grünflächen entwickeln: „Wir müssen alle umdenken und die Möglichkeiten nutzen, die uns zur Verfügung stehen“. Wer aktiv werden will, kann gleich loslegen. Doreen Hantuschke und Beate Kitzmann haben die Samenmischung „Blühende Landschaften“ aus Wildkräutern zusammengestellt und in Tütchen gepackt: „Die können Interessierte bei uns im Umweltbüro Lichtenberg abholen und gleich bei sich im Garten aussäen“. Einfach in eine kleine Gartenecke streuen, leicht andrücken, nicht mähen und sich an der heimischen Blütenpracht erfreuen.