Gutenberg-Schüler wollen im Oktober nach Molcad fahren.

Schon mehr als 30 Jahre ist es her, dass sich in Tschernobyl eine Atomkatastrophe ereignet hat. Die Lichtenbergerin Ute Gdanietz kann sich noch gut daran erinnern. Die pensionierte Lehrerin hatte zusammen mit Kollegen der Gutenberg-Schule einige Jahre später Kontakte zu einem weißrussischen Waisenheim in der Nähe von Gomel geknüpft: „Denn die Bevölkerung dort wurde von der Reaktorkatastrophe besonders hart getroffen.”

Und so besteht seit 1999 zwischen der Lichtenberger Gutenberg-Schule und dem Schulinternat Molcad nahe der belorussischen Hauptstadt Minsk ein reger Austausch: Seit 2000 besuchen Schüler der Gutenberg-Schule jährlich das Internat. „Dort leben Kinder und Jugendliche zwischen fünf und 16 Jahren aus sozial schwachen, kinderreichen und unvollständigen Familien, denen niemand gute Entwicklungsmöglichkeiten bieten kann”, weiß Ute Gdanietz. Deshalb macht sich die 73-Jährige so oft es geht mit Schülern, Lehrern, Eltern und Taschen voller Spenden per Zug auf den Weg nach Molcad. Im Gepäck sind dann Schreibblöcke, Luftballons, Knete und viele Spielideen.

Auch für Oktober ist wieder ein Besuch geplant. Besonders schwierig ist es aktuell, die Fahrkarten zu besorgen. „Es gibt nur noch eine direkte Zugverbindung pro Woche. Deshalb ist das Warten auf die Fahrkarten eine einzige Zitterpartie”, sagt Gdanietz. In diesem Jahr wollen sie vor allem Vitaminpräparate, Verbandszeug, Hygieneartikel oder Desinfektionsmittel mitnehmen. „Im Internat fehlt es an allen Ecken und Enden. Oft ist sogar das Toilettenpapier knapp”, erklärt sie. Um für den Austausch zu werben, hat Ute Gdanietz jüngst mit einigen Lehrern und Schülern auch Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Die Linke) besucht. Er schätzt das ehrenamtliche Engagement der vielen Beteiligten und den Einsatz der Schule sehr. Deshalb hat er sich bereit erklärt, die Schirmherrschaft für das Projekt zu übernehmen.

Auch Emma Pushkov und Diana Zulk gehören zum Gutenberg‘schen Gomel-Team. Die beiden Mädchen besuchen inzwischen die zwölfte Klasse der Sekundarschule und sind schon seit 2012 dabei. „Als wir 13 waren, sind wir das erste Mal in das Internat Molcad mitgefahren”, erinnern sie sich. Beide waren überwältigt und haben seither keinen Besuch ausgelassen. „Es ist immer wieder toll, denn die Kinder dort gehen ganz unvoreingenommen auf uns zu”, schildert Emma. Diana erzählt begeistert, mit wie sich schon mit wenigen Mitteln ein Lächeln auf die Gesichter der Kinder zaubern lässt: „Sie sind es nicht gewöhnt, dass sich jemand eins zu eins mit ihnen beschäftigt. Einmal haben wir ihnen Herzchen auf die Wangen gemalt oder nur Luftballons aufgeblasen und damit zusammen gespielt. Das fanden alle super!” Und auch über Gummibärchen freuen sich die Kinder in Molcad.

Emma und Diana haben beide je ein russisches Elternteil. Sie helfen Mitschülern während der Auslandsaufenthalte auch dabei, sich zu verständigen. Denn alle interessierten Gutenberg-Schüler dürfen am Austausch teilnehmen. „Russischkenntnisse sind zwar von Vorteil, aber keine Pflicht”, stellt Ute Gdanietz fest. Emma und Diana konnten durch das Projekt ihre Sprachkenntnisse verbessern. „Wenn wir uns mit den Austauschschülern schreiben, müssen wir oft Wörter nachschlagen. Das ist ja sonst peinlich, wenn wir Fehler machen”, sagt Emma. Durch die langjährige Partnerschaft sind Freundschaften entstanden. „Und auch wer nicht mehr im Internat wohnt, versucht uns wenigstens kurz zu treffen.”

Ute Gdanietz schaffte es 2015, den Berliner Kinder-Zirkus Cabuwazi für das Projekt zu begeistern. Und so fahren seither auch Zirkuspädagogen samt Stelzen, Bällen und Trapezen aus Berlin mit, um mit den Kindern aus dem Schulinternat eine Aufführung zu erarbeiten. Ute Gdanietz hofft, dass es auch in diesem Oktober wieder klappt, die Reise zu finanzieren. Denn die Kinder in Molcad freuen sich schon das ganze Jahr darauf.

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