📖 Lesezeit: 8 Minuten | Zuletzt aktualisiert: 17.12.2025
Rosa von Praunheim ist tot. Der legendäre Filmemacher und Ikone der deutschen LGBTQ-Bewegung starb am 17. Dezember 2025 im Alter von 83 Jahren in Berlin. Nur fünf Tage zuvor hatte er seinen langjährigen Lebensgefährten Oliver Sechting geheiratet. Mit über 150 Filmen prägte von Praunheim das queere Kino wie kein Zweiter – sein Werk „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ gilt als Startschuss der deutschen Schwulenbewegung.
Tod kurz nach der Hochzeit
Die Nachricht trifft die queere Community mitten ins Herz: Erst am Freitag, dem 12. Dezember 2025, hatte Rosa von Praunheim seinen Partner Oliver Sechting im Rathaus Berlin-Schmargendorf geheiratet. Die beiden waren seit 2008 ein Paar. Auf Instagram teilte von Praunheim am Montag noch ein Foto der Trauringe – goldene Frösche mit Türkis. Die Ringe hatte Sechting ausgesucht, „weil ich ihm mal gesagt habe, dass ich im nächsten Leben als Frosch wiedergeboren werden möchte“, erklärte von Praunheim.
Zur Todesursache gibt es bislang keine offiziellen Angaben. Der RBB bestätigte den Tod unter Berufung auf den engsten Freundeskreis des Künstlers.
Steckbrief: Rosa von Praunheim
| Information | Details |
|---|---|
| Bürgerlicher Name | Holger Bernhard Bruno Mischwitzky (geb. Radtke) |
| Geboren | 25. November 1942 in Riga, Lettland |
| Gestorben | 17. Dezember 2025 in Berlin (83 Jahre) |
| Beruf | Regisseur, Autor, Aktivist, Professor |
| Ehepartner | Oliver Sechting (verh. 12.12.2025) |
| Filmografie | Über 150 Kurz- und Langfilme |
Ein Leben für den queeren Film
Rosa von Praunheim wurde am 25. November 1942 als Holger Radtke in Riga geboren. Nach dem frühen Tod seiner leiblichen Mutter wuchs er bei Adoptiveltern in Deutschland auf – erst im Jahr 2000 erfuhr er, dass er adoptiert worden war. Seinen Künstlernamen wählte er in den 1960er Jahren bewusst als Mahnung: „Rosa“ bezieht sich auf den Rosa Winkel, das Kennzeichen zur Stigmatisierung homosexueller Männer in Konzentrationslagern, „Praunheim“ auf den Frankfurter Stadtteil, in dem er seine Jugend verbrachte.
Nach seinem Studium an der Hochschule für Gestaltung Offenbach und der Universität der Künste in West-Berlin begann er 1967 mit seinem ersten Kurzfilm. Sein Langfilmdebüt „Die Bettwurst“ (1970) avancierte binnen kurzer Zeit zum Kultfilm.
Der Film, der alles veränderte
1971 drehte Rosa von Praunheim den Film, der ihn zur Ikone machen sollte: „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“. Die ARD-Ausstrahlung löste einen Skandal aus – der BR klinkte sich aus dem Programm aus. Doch genau das war von Praunheims Absicht: Der Film stiftete Unruhe in einer Zeit von Strafgesetzen und Sittenpolizei und gab den Anstoß für die ersten CSDs in Deutschland.
Wichtigste Werke
| Film | Jahr | Bedeutung |
|---|---|---|
| Die Bettwurst | 1970 | Kultfilm, Langfilmdebüt |
| Nicht der Homosexuelle ist pervers… | 1971 | Startschuss der Schwulenbewegung |
| Ein Virus kennt keine Moral | 1986 | AIDS-Aufklärung |
| Schweigen = Tod | 1990 | AIDS-Trilogie, 25 wichtigste US-Protestkunstwerke (NYT) |
| Der Einstein des Sex | 1999 | Über Magnus Hirschfeld, Locarno-Nominierung |
| Härte | 2015 | Doku-Drama über Andreas Marquardt |
| Rex Gildo – Der letzte Tanz | 2022 | Dokudrama über den Schlagersänger |
| Satanische Sau | 2025 | Weltpremiere Berlinale 2025 |
Das kontroverse Outing von 1991
Für heftige Diskussionen sorgte Rosa von Praunheim am 10. Dezember 1991 in der RTL-Talkshow „Explosiv – Der heiße Stuhl“: Dort outete er den Komiker Hape Kerkeling und den TV-Koch Alfred Biolek ohne deren Einwilligung als homosexuell. Die Aktion löste einen landesweiten Skandal aus und gilt bis heute als prominentes Beispiel für Zwangsouting in Deutschland.
Auf die Frage, ob er die Aktion bereue, antwortete von Praunheim in einem dpa-Interview: „Bereuen nicht, weil sie das auch selbst nicht bereut haben. Kerkeling und Biolek hätten selbst ein paar Jahre später gesagt, dass sie sich sehr befreit gefühlt und eine große Solidarität erlebt hätten. Ich war der Buhmann.“
Von Praunheim verteidigte sein Vorgehen stets mit dem Argument der Verantwortung: Prominente hätten die Pflicht zu zeigen, dass Homosexualität eine gleichberechtigte Lebensform sei. „Wir müssen sichtbar sein.“
Auszeichnungen und Ehrungen
Rosa von Praunheim erhielt zahlreiche Auszeichnungen für sein Lebenswerk. 2012 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen. 2019 ehrte ihn das Pink Apple Festival in Zürich mit einem Preis für sein Lebenswerk, 2020 folgte der Ehrenpreis beim Filmfestival Max Ophüls Preis. Sein Film „Männerfreundschaften“ (2018) wurde beim Lichter Filmfest Frankfurt als Bester Langfilm ausgezeichnet.
Die New York Times wählte seinen Film „Schweigen = Tod“ unter die 25 wichtigsten Werke, die sich US-amerikanischer Protestkunst widmen. Der Guardian bezeichnete „Schweigen = Tod“ und „Positiv“ als die besten Filme über AIDS überhaupt.
Reaktionen auf seinen Tod
Maik Brückner (queerpolitischer Sprecher der Linksfraktion): „Rosa von Praunheim hat sich mit seinem Lebenswerk selbst ein Denkmal gesetzt, aus dem noch Generationen queerer Menschen schöpfen werden. In einem seiner letzten Interviews hat er verkündet, er erwarte den Tod als eine Befreiung. Sein Leben hat er in den Dienst derselbigen gestellt.“
Sven Lehmann: „Sein Leben und sein Werk waren und sind subversiv und radikal, voller Empathie und voller Aufruhr, abgedreht und lebensnah.“
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Ein Vermächtnis für Generationen
Rosa von Praunheim hinterlässt ein filmisches und kulturelles Erbe, das Generationen von queeren Menschen geprägt hat. Er kämpfte für Sichtbarkeit, lange bevor Regenbogenflaggen am Bundestag wehten. Sein Werk war subversiv, radikal, warmherzig und humorvoll zugleich. „Ich will weitermachen“, sagte er einst zu seinem 70. Geburtstag, „es gibt Filmemacher, die 100 sind.“ Ganz hat der Ausnahmekünstler die Marke nicht geschafft – aber sein Vermächtnis wird bleiben.
🎬 Filme von Rosa von Praunheim streamen:
Viele Werke sind in Mediatheken und auf Streaming-Plattformen verfügbar. Sein Kultfilm „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ ist regelmäßig in der ARD-Mediathek abrufbar.
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