Am 8. Mai jährt sich der historische Tag des Kriegsendes zum 75. Mal.

Am 8. Mai 2020 werden in Karlshorst Belarussen, Deutsche, Russen und Ukrainer gemeinsam an den 75. Jahrestag des Kriegsendes erinnern. Sie werden das ungeachtet aktueller politischer Zerwürfnisse und trotz der aktuellen Krisensituation nach Ausbruch des Coronavirus tun. Es wird keine reale Zusammenkunft werden, aber eine ideelle. Denn an diesem historischen Ort in Lichtenberg, dem Deutsch-Russischen-Museum, gibt es eine über Jahrzehnte gewachsene Zusammenarbeit. Das Museum und der Bezirk waren wichtige Schauplätze des letzten Kapitels des Krieges in Europa.

Bei Kriegsende im Jahr 1945 war Lichtenberg der erste Berliner Stadtbezirk, der von den Kämpfen betroffen war. Am frühen Morgen des 21. April überschritt die Rote Armee bei Schwanebeck den Autobahnring um Berlin. Entlang der heutigen B2 stieß sie über Malchow vor bis in den Ortskern Weißensee, der am Abend des 21. April eingenommen worden war. Noch am selben Abend besetzten sowjetische Soldaten Hohenschönhausen.

An den folgenden beiden Tagen nahmen sowjetische Soldaten alle östlichen Stadtteile bis an die Rummelsburger Bucht ein.
In Lichtenberg war der Krieg am 24. April zu Ende. An diesem Tag wurde General Nikolaj Bersarin zum Stadtkommandanten von Berlin ernannt. Kurz residierte er in Karlshorst, zog dann aber um nach Alt-Friedrichsfelde. Am 1. Mai erhielt er Unterstützung durch eine Gruppe deutscher Antifaschisten aus Moskau unter Leitung von Walter Ulbricht, die in den nächsten Wochen die Bezirksverwaltungen von Berlin wieder in Gang setzten. Sofort nach Beendigung der Kampfhandlungen wurden überall in der Stadt NS- und Kriegsverbrecher verhaftet. Für deren Internierung errichtete die sowjetische Geheimpolizei in Hohenschönhausen ein so genanntes Speziallager. Später wurde das allerdings ein Ort politischer Verfolgung.
In Karlshorst nahm auch der Oberkommandierende der sowjetischen Truppen, General Georgi Zhukow, Quartier. Von dort aus steuerte er die Kämpfe in den innerstädtischen Bezirken, bis Berlin am 2. Mai kapitulierte.

Am 8. Mai erlangte Karlshorst dann zusätzlich große Bedeutung als Ort der endgültigen Kapitulation der Wehrmacht. Zuvor hatte sich Adolf Hitler am 30. April durch Selbstmord jeglicher Verantwortung entzogen. Immer noch aber weigerte sich die Wehrmachtführung aus ideologischen Gründen, sich vor der Roten Armee zu ergeben. Sie verhandelte nur mit den westalliierten Truppen. Eisenhower, Oberkommandierender der Westalliierten, aber ließ sich auf keine Taktierereien ein und drängte auf die Einbeziehung des sowjetischen Verbündeten.
Und so kapitulierte die Wehrmacht schließlich bereits am 7. Mai im Hauptquartier Eisenhowers in Reims und am 8. Mai im sowjetischen Hauptquartier in Berlin-Karls-
horst. Der Kapitulationsakt in Karlshorst wurde von der Anti-Hitler-Koalition als der finale Akt gestaltet, der den vollständigen militärischen Sieg über die Wehrmacht besiegelte. Dabei wurde den protokollarischen Abstimmungen so viel Zeit eingeräumt, dass erst nach Mitternacht unterschrieben werden konnte.
Zu diesem Zeitpunkt war die Waffenruhe schon in Kraft. Der rechtlich verbindliche Moment des Kriegsendes war der 8. Mai um 23 Uhr mitteleuropäischer Zeit beziehungsweise 0 Uhr des 9. Mai deutscher Sommerzeit.

Nach Kriegsende wurde der Ortsteil Karlshorst dann quasi zum Regierungsviertel für die Sowjetisch Besetzte Zone Deutschlands.
Der Chef der Sowjetischen Militäradministration nahm seinen Sitz in eben jenem Gebäude ein, in dem der Sieg über Nazi-Deutschland besiegelt worden war. Am historischen Ort der Kapitulation eröffnete im November 1967 das sowjetische „Museum der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschlands im Großen Vaterländischen Krieg 1941-1945“. Nach der deutschen Einheit wurde daraus, unter Einbeziehung belarussischer und ukrainischer Museen, das „Deutsch-Russische Museum“. Mehr Informationen zu diesem historischen Ereignis finden Interessierte in ebendiesem Museum – auch digital.

Jörg Morré, Direktor des Deutsch-Russischen Museums

Foto: Museum Lichtenberg