Der Baum als Kulturgut im Stadtraum: Mitmachen beim Kunstprojekt des Künstlers Mathias Roloff.

Wenn die anderen Jungen früher zum Fußballspielen gingen, setzte er sich hin und begann zu zeichnen. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert: Mit Fußball kann Mathias Roloff bis heute nichts anfangen und die Kunst hat er zu seinem Beruf gemacht.

In den „Studios ID“ gleich gegenüber der Gedenkstätte Hohenschönhausen hat er sein Atelier. Dort, in der sechsten Etage der Genslerstraße 13, ist von Bohème nicht viel zu spüren: Der 40-Jährige arbeitet zielstrebig nach einem straffen Rhythmus. „Nachdem ich morgens meine Tochter zur Kita gebracht habe, gehe ich ins Atelier und lege los. Am liebsten zwischen
7.30 und 8.30 Uhr.“ Dann wird zum Geruch von Ölfarben gezeichnet und gemalt.

Aktuell bereitet der 40-Jährige das vom Bezirkskulturfonds Lichtenberg geförderte Projekt „Was wäre, wenn…?“ vor. Dabei geht es um den Baum als Kulturgut im Stadtraum. „Bäume und Pflanzen gibt es in unglaublicher Formenvielfalt im Stadtteil Hohenschönhausen. Aber wir nehmen sie eher als Begleiter von Gebäuden und Straßen wahr. „Was wäre also, wenn wir das Hauptaugenmerk auf die individuellen Charaktere der Bäume lenken?“, fragt Mathias Roloff.

Er hat gerade viele Bäume und Baumgruppen in ihrem städtischen Umfeld fotografiert. In den daraus entwickelten, großformatigen Bildern will er den Blick und die Aufmerksamkeit der Betrachtenden auf die grafischen Eigenheiten des Objekts „Baum“ lenken. „So schärfen die Projekt-Teilnehmenden ihre künstlerische Perspektive“, erklärt Mathias Roloff und eliminiert mit geübten Pinselstrichen den städtischen Raum um die Bäume herum. Auf den ersten Blick dominiert die Bilder ein trauriges Schwarzweißgrau.Doch dann erzählt Mathias Roloff von der Komposition, von Schattierungen und ihrer Wirkung – und von der Macht der Farbe Grau. „Ich würde Grau niemals aus Schwarz und Weiß zusammen mischen“, erklärt er. Und tatsächlich, bei längerem Betrachten entpuppt sich die Farbe als lilagrau, grüngrau oder braungrau. „Je greller die Farbe daneben ist, desto farbiger wird das Grau“, sagt Mathias Roloff und hängt die übermalten Baumbilder mit Holzklammern auf eine Leine. „Ich möchte eine Atmosphäre schaffen, die die Leute berührt. Das ist mir wichtiger als das Motiv“, sagt der Künstler. Als Wanderausstellung werden die entstandenen Arbeiten im Laufe des Jahres in verschiedenen Hohenschönhausener Institutionen und Galerien präsentiert.

Los geht es am Dienstag, 11. Juni, im Verwaltungsgebäude Große-Leege-Straße 103. Dort wird die Ausstellung bis zum 5. August gezeigt. Danach wandert sie in die Jugendkunstschule und ins Schloss Hohenschönhausen.

Mathias Roloff hat sich für sein Kunstprojekt Partner gesucht und will gemeinsam mit ihnen Hohenschönhausenerinnen und Hohenschönhausener einladen, selbst aktiv zu werden und sich mit Kunst und Natur auseinander zu setzen. Zum Beispiel im August bei den Stadtspaziergängen über die Streuobstwiese Reichenberger Straße oder durch den Garten des Mies van der Rohe Hauses: „Das Thema hat neben künstlerischen und ästhetischen Aspekten doch auch eine große gesellschaftliche Relevanz. Deshalb plane ich neben den Stadtteilspaziergängen auch Symposien mit Fachleuten. Jede Tour hat dabei einen eigenen thematischen Schwerpunkt wie Stadthistorie, Architektur oder das Bewahren und Mitgestalten von städtischen Grünanlagen.“

Als Vater einer sechsjährigen Tochter liegen ihm Themen wie diese sehr am Herzen. Damit es nicht zu theoretisch wird, sollen sich die Teilnehmenden auch kreativ mit der „Natur im Stadtraum“ auseinandersetzen. „Dazu wird es zwei Workshops geben“, erklärt Mathias Roloff. Die Teilnehmenden werden dabei mit Hilfe des Künstlers eigene Werke erarbeiten. Im Anleiten von Kunstinteressierten ist Mathias Roloff geübt: Im Jugendclub Arche können Jugendliche unter seiner Anleitung Modelle aus Pappe bauen, Kalender und Bücher gestalten. Außerdem arbeitet er auch als Kursleiter an der Jugendkunstschule. Dort zeigt er einmal pro Woche unter dem Motto „Naturstudium – Malerei – Grafik“ Jugendlichen unterschiedliche Gestaltungstechniken und Perspektiven.

Als Kind ist er dort selbst jahrelang ein und ausgegangen und hat Zeichenkurse besucht. Sein Vater, der Schaltkreise für Bombardier baute, und seine Mutter, die Archive für Krankenhäuser und Ministerien plante, unterstützten ihn dabei. Und so begann Mathias Roloff bereits als 15-Jähriger, eigene Ausstellungen zu organisieren. Als junger Erwachsener studierte er dann Kunst bei Volker Stelzmann an der Universität der Künste – das klassische Handwerk von der Pieke auf. „Andere Uniprofessoren haben ihren Studenten Netzwerken beigebracht und sie mit Galeristen bekannt gemacht – das stand bei uns nicht im Vordergrund“, erinnert er sich. „Wir konzentrierten uns eher auf das künstlerische Handwerk.“ Und so begann Mathias Roloff erst nach seinem erfolgreichen Abschluss als Meisterschüler, sich sein ganz eigenes Netzwerk aufzubauen.

„Mein Studienfach habe ich nie in Frage gestellt, da war ich unbeirrt“, sagt er rückblickend. „Und bei einem künstlerischen Beruf muss man immer einkalkulieren, dass es nicht gut laufen könnte.“ Doch der zunehmende Erfolg als Künstler gibt ihm Recht. Inzwischen weiß er auch seine zeitliche Flexibilität sehr zu schätzen, mit der er dem Beruf, seiner Frau und seiner Tochter gerecht wird. Die Faszination für die Kunst konnte er sich zudem über all die Jahre erhalten: „Ich liebe es mit dem Bleistift zu arbeiten, mit leichtem Druck etwas auf weichem Papier zu erzeugen. Ich freue mich natürlich, dass das Konzept für mein aktuelles Projekt überzeugt hat. Und ich hoffe, dass viele Menschen Lust haben, daran teilzunehmen.“

Termine Ausstellungen
11.06. – 05.08.2019 / Bezirksamt, Große-Leege-Straße 103
05.08. – 05.09.2019 / Jugendkunstschule Berlin-Lichtenberg
06.09. – 18.10.2019 / 360° – Raum für Kreativität
29.11. – 26.01.2020 / Schloss Hohenschönhausen

Stadtteilspaziergänge/Symposien
11. August, 11:30 Uhr „Natur in die Stadt!“ mit Thomas Graichen (Initiator Projekt „Obstwiese unterm Balkon“) und Beate Kitzmann (Verein Naturschutz Berlin-Malchow) Treffpunkt: Streuobstwiese Reichenberger Straße, 13055 Berlin
18. August, 11:30 Uhr „Geheimnisse des modernen Gartens“ mit Dr. Wita Noack und Dominik Olbrisch. Gespräch, Vortrag und Rundgang durch den Garten des Hauses Lemke. Treffpunkt: Mies van der Rohe Haus, Oberseestraße 60, 13053 Berlin

25. August, 11:30 Uhr „Bäume und Geschichten – Ein Ortshistorischer Spaziergang durch Alt-Hohenschönhausen“ mit Barbara Mewis (Förderverein Schloß Hohenschönhausen e.V.). Im Anschluss Gespräche und Familienaktionen im Schloss. Treffpunkt: Bürgerschloss Hohenschönhausen, Hauptstraße 44, 13055 Berlin

Workshops
August 2019 „Mein Leben im Baumhaus“
Jugendkunstschule Lichtenberg, Demminer Straße 4, 13059 Berlin

20.09.2019 17-19 Uhr „Natur und Stadtraum“
360° – Raum für Kreativität, Prerower Platz 10, 13051 Berlin

Die Teilnahme an allen Veranstaltungen ist kostenlos.

art@mathiasroloff.de/www.mathiasroloff.de

Foto: bbr