„Boiler-Room“ Mitbetreiber Michail Stangl im Gespräch

Von Shanghai nach St. Petersburg mit Zwischenstopp in Berlin: Michail Stangls Arbeitsplatz ist die ganze Welt. In Lichtenberg hat er seine Karriere an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Karlshorst begonnen. Heute ist er Mitbetreiber der Internet Plattform „Boiler-Room“ zur Übertragung von DJ-Sets und Livemusik. Bezirksamtsmitarbeiter André Kehr hat mit ihm über die technologische Demokratisierung, Kulturarbeit als Sozialarbeit und die schlummernden Potenziale des Bezirks gesprochen.

Michail, Du hast einen ungewöhnlichen Beruf. Womit verdienst Du Dir Deine Brötchen?
Michail Stangl: In traditionellen Kategorien gedacht, bin ich eine Mischung aus Programmchef einer Online-Fernsehstation und Moderator einiger Sendungen, die dieses Online-TV ausstrahlt. Das Besondere ist, dass wir uns hauptsächlich mit elektronischer Musikkultur auseinandersetzen. Dabei haben wir vor allem die Underground-Musikkultur im Blick, also alles, was in den Clubs weltweit passiert.

Eine der Plattformen, die Du mitverantwortest, heißt „Boiler-Room“. Was genau verbirgt sich dahinter?
Michail Stangl: „Boiler-Room“ überträgt heute Partys mit elektronischer Live-Musik und Kunst-Events aus Clubs auf der ganzen Welt – und zwar mit Ton und Bild. Angefangen haben wir 2010. Damals noch mit einer Webcam. Wir waren 15 Freunde in einem Raum und zehn Leute, die online dabei waren. Inzwischen waren wir schon in 55 Ländern, haben 220 Millionen Zuschauer im Monat und sind ein Team von fast 60 Leuten weltweit…

Wie ist die Idee zum „Boiler-Room“ entstanden?
Michail Stangl: Als wir vor acht Jahren angefangen haben, war Berlin eine der aufregendsten Städte in Europa, was elektronische Musikkultur betraf. Trotzdem standen damals nur die „Bar25“ und die „Panorama Bar“ im Blickpunkt. Über alles, was sonst noch so passierte, erfuhren die meisten Menschen nichts. Wir wollten der elektronischen Musik eine Plattform geben.

Ein ziemlich großes Vorhaben für eine Handvoll Leute…
Michail Stangl: Ja, im Grunde ist der Boiler-Room ja auch ein Kind der technologischen Demokratisierung. Wären wir nur wenige Jahre früher mit der Idee am Start gewesen, hätten wir uns das teure Equipment für die Produktion nicht leisten können, das wäre ausschließlich großen Medien-Unternehmen möglich gewesen.

Du hast Kulturveranstaltungen auf fast jedem Kontinent organisiert. Was davon wünscht Du Dir für Berlin?
Michail Stangl: Dass man Kulturarbeit auch noch mehr als „soziale“ Arbeit versteht: Im französischen Marseille hat Kultur eine stark integrative Wirkung. Dort gibt es beispielsweise ein tolles Kulturprojekt in einem der ärmsten Viertel der Stadt. Das wäre so, als würde man den Berliner Technoclub „Berghain“ in das märkische Viertel verlegen, um dort das Verständnis für den jeweils anderen zu erhöhen und die Akzeptanz für das Anderssein insgesamt zu steigern.

Wie entwickelt sich Lichtenberg aus Deiner Sicht?
Michail Stangl: Lichtenberg verändert sich sehr positiv. Du kannst einen Stadtteil auch dadurch entwickeln und attraktiver machen, indem du etwa kulturelle Angebote schaffst. Kannst Dinge dort reinholen, die man normalerweise mit anderen Orten verbinden würde. So wird ein ganzer Bezirk bereichert. Das geschieht in Lichtenberg bereits ganz gut im Kulturzentrum am Wiesenweg oder bei der sehr positiven Entwicklung rund um den Nöldnerplatz. Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst ist auch für die bezirkliche Kultur verantwortlich.
Du hast mit ihm während der Veranstaltung „Aus LiBe“ diskutiert.

Welche Unterstützung brauchen deiner Meinung nach Kulturschaffende im Bezirk?
Michail Stangl: In erster Linie braucht es Transfer von Wissen und Know-how zwischen Politik und Kulturschaffenden. Ich finde, das geschieht immer noch zu wenig. Es war das erste Mal, dass ein Bezirkspolitiker proaktiv auf mich zukam und gesagt hat: Mach einfach mal mit und lass uns Wissen austauschen! Das war toll. Politik kann man nur machen, wenn man aus der Praxis lernen will. Das müsste eigentlich überall Teil der politischen Arbeit sein, nicht nur in Lichtenberg!

 

Foto: Boilerroom