Zum Jahresende ist es gute Tradition, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und einen Ausblick auf das kommende zu geben. Darüber haben wir uns mit Lichtenbergs Bürgermeister Michael Grunst (Die Linke) unterhalten.

Herr Grunst, das Jahr geht zu Ende. Was war Ihr Highlight in 2019?
Ich muss gestehen, die Einweihung der neuen Grundschule in der Konrad-Wolf-Straße war in diesem Jahr einer der Höhepunkte. Es tut gut zu sehen, dass wir im Schulbau so klotzen können. Jeder Euro, den wir in neue Schulen stecken, ist eine Investition in die künftigen Generationen. Genauso wichtig waren 2019 die vielen Grundsteinlegungen für Wohnungsbau und Richtfeste der städtischen Unternehmen und Genossenschaften. Das sind deutlich sichtbare Erfolge. Derzeit freue ich mich besonders über die Re-Zertifizierung Lichtenbergs als familiengerechter Bezirk. Das war eine ziemliche Kraftanstrengung, die sich aber lohnt. Wir wissen nun noch besser, was wir in Angriff nehmen müssen. Insbesondere die Handlungsfelder Kinderarmut und Alleinerziehende beharken wir unaufhörlich, das macht mich stolz. Und wieder hat der Bezirk Lichtenberg in diesem Jahr bewiesen, dass wir auch menschlich spitzenmäßig aufgestellt sind. In meiner Tätigkeit staune ich immer wieder darüber, wie sehr sich die Menschen in diesem Bezirk gegenseitig unterstützen, sich ehrenamtlich engagieren, Anstöße geben. Das ist ein wiederkehrendes Highlight. Besonders hat mich aber die Solidarität mit den obdachlosen Menschen am Bahnhof Lichtenberg beeindruckt.

Sie erwähnten den Wohnungsbau, doch wie steht es um die Mieten? Wo sehen Sie den Bezirk Lichtenberg derzeit?
In Lichtenberg leben gegenwärtig über 290.000 Menschen. Pro Jahr entstehen circa 2.000 neue Wohnungen. Das ist gut. Wir freuen uns, dass immer mehr Menschen nach Lichtenberg ziehen. Gerade bezahlbare Wohnungen werden deshalb dringend gebraucht. Wir sind dabei in der schönen Situation, dass zwei Drittel des Lichtenberger Wohnungsbestandes in städtischer und genossenschaftlicher Hand sind. Das wirkt sich mietpreisdämpfend aus. Und die gemeinwohlorientierten Wohnungsunternehmen engagieren sich stark für das Zusammenleben in Lichtenberg. Wir haben damit im Bezirk wirklich gute und starke Partner an unserer Seite. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir inzwischen Gebiete haben, wo die Menschen bis zu 40 Prozent ihres Nettoeinkommens für Miete ausgeben müssen. Das soll nicht sein. Diese Menschen müssen oft ihren Alltag stark einschränken, um ihre Wohnung zu halten. Es wird an der Kugel Eis, am Friseur, am Kneipenbesuch gespart. Das ist nicht gut. Insofern hoffe ich, dass der geplante Mietendeckel den Mieterinnen und Mietern unserer Stadt eine dringend benötigte Atempause verschafft.

Wächst denn die Infrastruktur mit der Einwohnerzahl mit?
Ja. Gerade Schulneubau und -sanierung sowie Kitaneubau sind die entscheidenden Vorhaben. Neben den bereits erwähnten Maßnahmen reaktivieren wir zusätzlich in der Paul-Junius-Straße eine stillgelegte Schule und bauen in der Wartiner Straße sowie in der Allee der Kosmonauten neue weiterführende Schulen. Neue Grundschulen entstehen auch in der Rheinpfalzallee und am Blockdammweg. Dazu kommen ein Familienbüro und vieles mehr. Nur beim Verkehr hapert es spürbar.

Was hat Sie 2019 geärgert?
Die eben erwähnte Verkehrssituation. Die Lichtenbergerinnen und Lichtenberger sind vom gesamtstädt-
ischen Baustellenchaos genervt. Der öffentliche Nahverkehr, der schwächelt, tut sein Übriges. Das ärgert mich. Der Senat kann nicht die Mobilitätswende ausrufen und dann eine vor allem innenstadtzentrierte Verkehrspolitik gestalten. Die Mobilitätswende funktioniert nur mit einem starken und zuverlässigen öffentlichen Nahverkehr in der ganzen Stadt.

Das Bezirksamt lebt von der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Regelmäßig finden Stadtteildialoge und Kiezspaziergänge statt. Worauf werden Sie dabei immer wieder angesprochen?
Sauberkeit, öffentliche Ordnung, ärztliche Versorgung aber auch steigende Mieten und neue Bauprojekte beschäftigen die Menschen in Lichtenberg sehr stark. Gerade in einem wachsenden Lichtenberg müssen wir noch viel mehr über diese Veränderungen ins Gespräch kommen. Wir wissen aber auch, dass es bei unterschiedlichen Interessen oft auch kontrovers zugeht. Dabei versuchen wir, wann immer möglich, zu vermitteln. Doch bei Kitas und Schulen sind wir sehr entschlossen.

Sie haben gerade den Haushalt für die Jahre 2020/2021 verabschiedet. Welche Schwerpunkte haben Sie gelegt?
Wir haben über 90 neue Stellen geschaffen, um die bürgernahen Dienstleistungen zu stärken, die Schulbauoffensive abzusichern und gerade Angebote im Jugend- und Sozialamt zu stärken. Als kinder- und familienfreundlicher Bezirk schaffen wir ein weiteres Familienbüro, stärken Maßnahmen zur Unterstützung Alleinerziehender und beginnen mit der Sanierung des Nachbarschaftshauses Kultschule. Für Maßnahmen zur Sanierung von Gehwegen und Straßen stellen wir zusätzlich eine Million Euro zur Verfügung.

Was erwartet uns 2020 noch?
Wir werden die Stadtteildialoge fortführen, einen städtebaulichen Wettbewerb für das Zentrum von Hohenschönhausen starten, verschiedene Bauprojekte diskutieren und beginnen. Mit einer neuen Engagementstrategie wollen wir noch stärker für das Ehrenamt werben. Denn das ist Fundament unseres Gemeinwesens und macht unseren Bezirk stark.

Bild: BA