Vom Ende der DDR-Geheimpolizei.

Der als „Sturm auf die Normannenstraße“ in die Geschichte eingegangene 15. Januar 1990 war ein Nachhutgefecht der friedlichen Revolution. Die wichtigsten Machtbastionen der SED-Diktatur waren schon im sprichwörtlichen Herbst `89 gefallen. Zuerst war im Oktober Erich Honecker gestürzt worden, am 3. Dezember fiel dann die SED wie ein Kartenhaus zusammen.

Die obersten Parteigremien lösten sich einfach auf. Der Anspruch, den Staat als Partei zu dominieren, war schon kurz zuvor aus der Verfassung gestrichen worden. Die Bevölkerung der DDR hatte sich die Rechte, die ihr Jahrzehnte verweigert worden waren, schon vorher genommen. Das Demonstrationsrecht und Recht auf freie Meinungsäußerung, die Reise- und Ausreisefreiheit wurden erst von den Botschaftsflüchtlingen von Prag und Budapest, dann mit dem Mauerfall am 9. November in Berlin durchgesetzt. Die Armee war in den Kasernen geblieben und in innerer Auflösung, die Polizei hatte nach heftigen Scharmützeln im Oktober kapitulieren müssen und sich dann faktisch auf die Seite des Volkes gestellt.

Es wirkte wie aus der Zeit gefallen, dass die am meisten gefürchtete Institution, die Geheimpolizei der DDR, das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), zunächst weitgehend ungeschoren weiter arbeitete. Der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke hatte sich selbst in Abseits geredet. Er war entlassen, aber seine Stellvertreter machten weiter, wollten den Apparat als Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) nur etwas verkleinern und umbauen. Aber mit den gleichen Akten und dem gleichen Personal, das jahrezehntelang Informationen über die Menschen in der DDR angehäuft hatte.

In Ostberlin standen Anfang Dezember `89 die Zeichen schon auf Kompromiss. Oppositionelle Gruppierungen und Vertreter des alten SED-Staates bereiteten sich auf den Runden Tisch vor, an dem nach polnischem Vorbild gemeinsam ein Weg aus der Krise gesucht werden sollte. Es ging um Rechtsstaat, Demokratie und freie Wahlen. Doch in den 14 DDR-Bezirken außerhalb Berlins gärte es weiter. Eine Häufung von Einzelereignissen, die Beobachtung, dass die Stasi ihre Akten vernichtete, führten ab dem 4. Dezember zu einer Kettenreaktion. Beginnend mit Erfurt wurden die MfS-Bezirksdienststellen besetzt oder zumindest von Bürgergruppen kontrolliert. Die Regierung des letzten SED-Ministerpräsidenten Hans Modrow taktierte.

Einerseits wollte sie die seit November 1989 als Amt für Nationale Sicherheit bezeichnete Stasi zu einem Verfassungsschutz und Nachrichtendienst umbauen, andererseits wollte sie die Konfrontation mit der Bevölkerung vermeiden. Faktisch kam die Arbeit des Geheimdienstapparates außerhalb von Berlin um die Jahreswende 1989/90 zum Erliegen. Auch die Ost-Berliner Bezirksverwaltung in der Alfred- Kowalke-Straße am Tierpark und die Kreisdienststellen in den Stadtbezirken wurden aufgelöst, weil man Besetzungen vermeiden wollte. Dennoch kam das Thema Stasi nicht zur Ruhe. Im Gegenteil. Vor allem im Süden der DDR war die Bevölkerung erbost über hohe Abfindungen für Stasi-Mitarbeiter und dass der Apparat nicht endgültig aufgelöst wurde. Streiks drohten Anfang Januar 1990. Die Bürgerkomitees, die überall im Lande mit hohem persönlichen Einsatz die Stasidienststellen lahm legten, waren verärgert, dass die Zentrale in der Lichtenberger Normannenstraße noch weiterarbeitete.

Es waren vor allem diese Bürgerkomitees, die am 15. Januar am Runden Tisch und dann vor Ort die Initiative ergriffen, auch die MfS-Zentrale abzuschalten. Angesichts der Stimmung im Land und weil am Abend des 15. eine Demo vor den Toren des MfS angesagt war, ruderte Hans Modrow zurück. Er sagte einer endgültigen Auflösung der Stasi zu. Und seine Regierung arrangierte die Sicherheitspartnerschaft mit den Bürgerkomitees und der Volkspolizei. So hatten diese schon am berühmten Tor in der Ruschestraße das Sagen, als gegen 17 Uhr Zehntausende vor den Toren demonstrierten. Als der Andrang zu stark wurde und die Ersten über das Tor kletterten, beschlossen zwei Bürgerkomiteemitglieder aus Suhl und Leipzig und junge Volkspolizisten, das Tor öffnen zu lassen. Die Menge konnte auf das Gelände stürmen und von der Stasi Besitz ergreifen. Dr. Christian Booß, Vorsitzender des Aufarbeitungsvereins Bürgerkomitee „15. Januar“ e.V.

Jeden ersten Sonntag im Monat um 15.30 Uhr lädt das Bürgerkomitee zu einer Stasigeländeführung ein.
Anmeldung: bueko_1501_berlin@web.de

Foto:Transformationsgesellschaft e.V.