Vor drei Jahren hat das Bezirksamt Lichtenberg die Freiwilligen-Agentur „Oskar” ins Leben gerufen. Barbara Breuer sprach mit Projektleiter Peter Wagenknecht über das Ehrenamt in Lichtenberg.

Herr Wagenknecht, seit dem Sommer 2016 können sich engagierte Lichtenbergerinnen und Lichtenberger an die Oskar-Freiwilligen-Agentur wenden. Mit welchen Wünschen kommen die Leute zu Ihnen?
Peter Wagenknecht: Das ist ganz unterschiedlich: Manche kommen und sagen, sie hätten da noch ein bisschen Zeit übrig und damit wollen sie etwas Gutes tun – vielleicht etwas für und mit Kindern oder eventuell auch im Umweltschutz. Dann gucken wir zusammen, was zu ihren Interessen passt. Andere wissen schon ganz konkret, was sie machen wollen und brauchen nur ein wenig Beratung – beispielsweise, um herauszufinden, wo das nächstgelegene Seniorenheim ist, in dem sie mit den Bewohnern Karten spielen können oder wo eine Kita ist, in der sie den Kindern regelmäßig etwas vorlesen dürfen. Wieder andere haben gar keine Vorstellungen und wollen einfach nur erfahren, was es für Möglichkeiten gibt, um sich ehrenamtlich zu engagieren.

Wie genau sieht Ihre Arbeit aus?
Peter Wagenknecht: Unsere Hauptaufgabe liegt in der Beratung. Wir informieren die potenziellen Freiwilligen und geben ihnen anschließend die Telefonnummern und Adressen der Einrichtungen, bei denen sie sich ehrenamtlich engagieren können. Danach nehmen die Leute selbst Kontakt auf. Falls es mal Schwierigkeiten gibt, sie beispielsweise nicht richtig willkommen geheißen werden, dann unterstützen wir. In Einzelfällen bieten wir auch an, zum ersten oder zweiten Gespräch mitzukommen. Aber das ist nicht die Regel. Wir kontrollieren auch nicht, ob die Leute, die sich bei uns haben beraten lassen, auch wirklich ehrenamtlich aktiv werden. Das bleibt ihnen selbst überlassen. Wir bieten regelmäßige Sprechstunden an, aber wer möchte, kann auch außerhalb dieser Zeiten einen Termin erhalten. Viele Interessierte rufen uns auch an oder schauen auf unserer Homepage nach, wie unsere Angebote aussehen.

Informieren Sie und ihr Team auch zu rechtlichen Themen?
Peter Wagenknecht: Ja, das machen wir. Freiwillige interessiert beispielsweise, ob sie unfall- und haftpflichtversichert sind. Das beschäftig auch die Träger oder die Einrichtungen. Wir sagen dann, dass es immer auf den Einsatzort ankommt. Es gibt eine Unfallversicherung des Landes Berlin, die dann greift, wenn die Versicherung des Vereines ausgeschöpft ist. Mit der Haftpflicht ist das ein bisschen komplizierter. Die müssen Vereine und Initiativen selbst für ihre Freiwilligen abschließen.

Melden sich auch Vereine und Institutionen bei Ihnen, die gerade dringend helfende Hände suchen?
Peter Wagenknecht: Ja, das kommt vor. Aber die muss ich dann enttäuschen, denn so herum funktioniert „Oskar“ nicht. Wir arbeiten von den Interessierten ausgehend und legen ihnen die Engagement-Angebote der Träger vor. Die Freiwilligen entscheiden selbst, wo sie hingehen. Wir haben auch schon versucht, die Daten von Interessenten aufzunehmen, um sie weiterzugeben, wenn Anfragen kommen. Aber das wollen die Leute nicht. Wir haben also keine Datei, aus der wir in dringenden Fällen Freiwillige „hervorzaubern“ können. Aber trotzdem finden wir bei den meisten Angeboten nach einiger Zeit Interessierte. Und wenn nicht, sprechen wir mit den Trägern darüber, ob sie ihr Angebot verändern wollen.

In welchen Bereichen kommen die meisten Ehrenamtlichen zum Einsatz?
Peter Wagenknecht: Schwer zu sagen. Zum Beispiel überleben die Sportvereine nur Dank der Hilfe von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Dort fehlen vor allem Vorstände. In den Unterkünften für Geflüchtete werden Menschen gesucht, die die Neuankömmlinge längerfristig begleiten. Leute, die bereit sind, bei der Integration zu helfen – beispielsweise indem man sich einmal pro Woche mit einer geflüchteten Familie trifft oder guckt, ob alles in Ordnung ist, oder auch mal gemeinsam mit den Kindern auf den Spielplatz geht. Auch Paten-Großeltern sind immer ein großes Thema, davon gibt es nie genug. Gesucht werden auch Menschen, die Familien mit Frühchen in den ersten Monaten unterstützen, die mal zwei Stunden lang den Kinderwagen schieben, so dass die Mutter oder der Vater mal zum Frisör gehen oder etwas erledigen können.

Aber für Freiwillige ist es gar nicht so sinnvoll zu schauen, wo der Bedarf am größten ist. Viele besser ist es, sich die Frage zu stellen: Was würde mir denn Freude machen? Nicht jeder hat Lust, Kindern etwas vorzulesen oder mit Senioren spazieren zu gehen. Aber es gibt Leute, denen macht genau das Spaß. Und darum geht es.

Engagieren sich mehr Frauen oder Männer ehrenamtlich?
Peter Wagenknecht: Das ist von Bereich zu Bereich verschieden. Die Mehrzahl der Angebote, die wir haben, liegt im sozialen Bereich. Dort sind mit etwa 55 Prozent vor allem Frauen ehrenamtlich tätig. Es gibt aber auch andere Bereiche, da sind es mehr Männer, zum Beispiel beim Technischen Hilfswerk.

Was treibt diese Menschen an?
Peter Wagenknecht: Die Meisten wollen gemeinsam mit anderen eine sinnvolle Beschäftigung haben. Die Älteren waren ihr Leben lang sehr aktiv. Jetzt sind sie materiell abgesichert und haben Zeit. Oft hören wir den Satz: „Ich hatte viel Glück in meinem Leben und mir ging es immer gut. Jetzt möchte ich andere unterstützen.“ Die meisten wollen gerne ihre Erfahrungen weitergeben und der Gesellschaft etwas zurückgeben. Sie wollen etwas für andere oder für das Gemeinwesen tun und dabei sozial eingebunden sein.

Immer wieder kommen auch Menschen, die beispielsweise im Berufsleben einen Bruch hatten. Sie haben ziemlich klar für sich entschieden, dass sie ihren alten Job nicht weitermachen wollen und orientieren sich neu. Da bietet sich natürlich auch ein freiwilliges Engagement an, um mal etwas Neues auszuprobieren.

Wie lange engagieren sich Lichtenbergerinnen und Lichtenberger im Schnitt?
Peter Wagenknecht: Dazu haben wir keine verlässlichen Daten. Aber Ehrenamt und Engagement muss nicht immer über einen langen Zeitraum gehen. Es gibt auch viele kurzfristige Möglichkeiten, mal etwas freiwillig zu unterstützen. Einen Kiez-Trödelmarkt mitorganisieren oder ein Fest vorbereiten. Wir haben auch Angebote und Ideen für Menschen, die nur zwischendurch mal ein wenig Zeit haben.

Werden Ehrenamtliche bezahlt?
Peter Wagenknecht: Nein, sonst wäre es ja Lohnarbeit und kein freiwilliges Engagement. Aber die Vereine sollten sich auf jeden Fall etwas überlegen, um den Aufwand zu entschädigen, zum Beispiel eine Pauschale für die Fahrtkosten. Das ist dann kein Lohnersatz, sondern soll helfen, für alle Menschen ein Engagement zu ermöglichen. Es gibt Überlegungen im Bezirk, einen Fonds einzurichten, aus dem beispielsweise Fahrkarten zurückerstattet werden können.

In Lichtenberg und auch überall sonst sollte es allen möglich sein, sich freiwillig zu engagieren – auch denen, die sich keine Hin- und Rückfahrkarte zum Einsatzort leisten können.

Im September finden die Freiwilligentage im Bezirk statt…
Peter Wagenknecht: Ja, genau. Ab Freitag, 13. September, bis zum 22. September. Da gibt es dann wieder Mitmachaktionen, bei denen Interessierte in unterschiedliche Organisationen und Vereine im ganzen Bezirk reinschnuppern und etwas Gutes tun können: Bienenkästen bauen, Lebensmittel an Bedürftige ausgeben, interkulturell kochen oder inklusives Hallenboccia spielen – all das und noch viel mehr machen unzählige Freiwillige täglich.

Und im September ist dann so eine Art Schnupperzeit für alle, die sich auch schon immer mal ehrenamtlich engagieren, gemeinnützige Einrichtungen im Bezirk kennen lernen und andere Freiwillige treffen wollten.

Im vergangenen Jahr haben 450 Menschen sich zwei Tage lang an 30 Mitmachaktionen in Lichtenberg beteiligt. Schauen wir mal, wie viele Aktionen und Freiwillige es dieses Jahr werden. Wir freuen uns jedenfalls drauf. Und am 21. September feiern wir dann wieder die traditionelle große Danke-Party.


SPRECHZEITEN DER FREIWILLIGEN-AGENTUR

Beratung rund ums Ehrenamt in der Freiwilligenagentur „Oskar“, Weitlingstraße 89, immer dienstags und donnerstags von 14 bis 18 Uhr, freitags von 10 bis 14 Uhr sowie nach Vereinbarung. Die Räume sind eingeschränkt barrierefrei. Wer an der Bushaltestelle Münsterlandplatz (BUS 240) abgeholt werden möchte, ruft bitte vorher an.

Weitere Orte und Zeiten für Engagement-Beratung:

Haus der Generationen im Fennpfuhl, Paul-Junius-Straße 64 A, immer mittwochs von 10 bis 12 Uhr

Bodo-Uhse-Bibliothek, Erich-Kurz-Straße 9, immer donnerstags von 13 bis 15 Uhr

Stadtteilzentrum Hohenschönhausen Nord, Ribnitzer Straße 1 B, jeden zweiten und vierten Mittwoch im Monat von 13 bis 15 Uhr

Anna-Seghers-Bibliothek, Prerower Platz 2, jeden Mittwoch von 14 bis 17 Uhr

Ikarus Stadtteilzentrum, Wandlitzstraße 13 in 10318 Berlin, jeden zweiten Mittwoch im Monat von 10 bis 12 Uhr und jeden vierten Mittwoch im Monat von 15.30 bis 17.30 Uhr

Ab Mitte August: Oskar-Büro im „Storchenhof“ (Rückseite), Hauptstraße 9-9d, immer dienstags und donnerstags 14 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung


Foto: bbr