Der Verein Soziale Gesundheit bietet „arztpraxisinterne Sozialberatung“ an.

Gesundheitsstadträtin Katrin Framke (par­teilos, für Die Linke), ist immer wieder beeindruckt, wie viele engagierte Menschen in Lichtenberg leben. Als sie in der Praxis von Annelies Roloff vorbeigeschaut hat, erzählte ihr die Ärztin zusammen mit Martyna Voß von ihrer Arbeit und von einem ganz besonderen Projekt: Gemeinsam mit dem Verein „Soziale Gesundheit“ bieten sie Deutschlands erste arztpraxisinterne Sozialberatung an. Außerdem helfen sie auch in schwierigen Lebenslagen und bei bürokratischen Fragen. „Arztpraxen sind Sozialräume, in denen es um sehr viel mehr geht, als ausschließlich um Medizin. Ärztinnen und Ärzte werden dank dieses innovativen Projekts im Praxisalltag entlastet und Menschen erfahren echte Hilfe. Deshalb unterstützen das Lichtenberger Bezirks- amt und ich das Team schon lange mit Rat und Tat“, sagt Katrin Framke. Martyna Voß organisiert die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins und ist auch immer noch begeistert von dem Projekt: „Ich liebe das, was ich hier tue.“ Als leidenschaftliche Netzwerkerin und langjährige Projektmanagerin im Bereich Medizintechnik hatte sich Martyna Voß irgendwann gefragt, wo der Mensch bleibt bei all der Technisierung: „Manchmal brauchen Menschen eine Brücke, die die Verbindung zur Hilfe schafft.“ Und dieses Projekt ist so eine Brücke.
Deshalb betreibt Martyna Voß auch unermüdlich Netzwerkarbeit. Sie reist kreuz und quer durch den Bezirk in dem sie aufgewachsen ist: Sie lernt am liebsten alle Einrichtungen und Vereine persönlich kennen, sammelt dort Informationen und Flyer ein, bringt sie zur Sozialberatung. Dort können ihre Informationen zu einer wertvollen Brücke werden, zu einem Weg aus der Einsamkeit.

Außerdem informiert sie auch über die Arbeit des Vereins und sucht nach kooperationsbereiten Ärztinnen, Ärzten und Unterstützenden. Mit viel Engagement und Energie fördert sie die Zusammenarbeit zwischen ihnen und dem Verein. Den haben sieben Engagierte im Juni 2013 gegründet – mit dabei war auch Stephanie Falk, die heute geschäftsführendes Vorstandsmitglied und Informationsquelle ist: „Wer sich für unser Projekt interessiert, mitmachen möchte oder uns finanziell unterstützen will, kann sich gerne an mich wenden.“ Schließlich hatte Stephanie Falk damals die Idee, soziale Beratung in Hausarztpraxen einzuführen. Seit fünf Jahren ist das nun schon Wirklichkeit geworden. Los ging damals alles in der Praxis der Ärztin Annelies Roloff. Auch sie setzt sich seit Jahrzehnten für ihre Patientinnen und Patienten ein. Immer versucht sie zunächst medizinische Hilfe zu leisten. „Doch die Menschen kommen heute mit sehr viel mehr zu mir. Und dafür gibt es meist keine Pillen oder Spritzen“, weiß sie. Gesundheitliche Beschwerden aufgrund von Einsamkeit, finanziellen Engpässen, Ämter-Angst oder einfach nur der Sehnsucht nach einem netten Wort, kann keine Medizin heilen. „Gerade bei den älteren Patientinnen und Patienten sind wir Ärztinnen und Ärzte oft der letzte regelmäßige soziale Kontakt, die letzte Vertrauensperson. Da wird der wöchentliche Arztbesuch zur einzigen Gesprächsmöglichkeit“, erzählt Annelies Roloff. Für sie wurde die damalige Situation zu einem echten Konflikt: Draußen im Wartezimmer Patienten, die dringend medizinische Hilfe brauchten. „Und vor mir Menschen, denen ich als Medizinerin gar nicht helfen kann.“

Genau diese Lücke wurde durch die Sozialberatung geschlossen: Nun arbeitet Annelies Roloffs Enkelin Sara gleich gegenüber vom Behandlungszimmer als Beratungsassistentin des Vereins. Sie hilft den Patientinnen und Patienten ihrer Großmutter, wenn keine medizinische Hilfe gefragt ist. „Die Menschen kommen mit Fragen zur altersgerechten Lebensgestaltung, körperlichen oder psychischen Beschwerden, rechtlichen Probleme, familiären Konflikten oder anderen belastenden Themen“, weiß Annelies Roloff. Auch bei Anträgen zur Pflegeversicherung steht Sara Roloff zur Seite und hilft die komplizierten Dokumente auszufüllen. Sie unterstützt, wenn Trauer, Verzweiflung oder Einsamkeit so übermächtig geworden sind, dass ein therapeutisches Angebot die beste Lösung sein kann und informiert über mögliche Wege zur Hilfe. Martyna Voß erklärt: „Zu oft ist der Platz, der dem Menschen in der Medizin bleibt zu klein für all seine Sorgen und zu oft sind all diese Sorgen überhaupt erst Auslöser für physische oder psychische Beschwerden.“ Deshalb versucht sie auch andere Medizinerinnen und Mediziner zu begeistern, ähnliche Beratungsprojekte in Kooperation mit dem Verein „Soziale Gesundheit“ in ihren Praxen anzubieten. Mit Erfolg.

Die ortsansässigen großen Krankenhäuser zeigen sich interessiert an dem Projekt. Und demnächst öffnet eine weitere Sozialberaterin in der „Lichtenberger Hausarztpraxis“ regelmäßig ihre Türen. Martyna Voß kann sich keine schönere Beschäftigung vorstellen als ihre. Wie lange wohl noch? „Bis an mein Lebensende“, sagt sie mit einem herzlichen Lächeln.

Fotos: bbr