Der Bezirk gedenkt der Opfer der Märzkämpfe 1919

Am Mittwoch, 13. März, um 15 Uhr gedenken das Bezirksamt Lichtenberg und die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten“ der Märzkämpfe 1919 und erinnern an das Geschehen und die Opfer vor 100 Jahren. „Wenn heute der Errungenschaft von 1918/19 – der ersten deutschen Republik – gedacht wird, darf nicht vergessen werden, dass ihr Entstehen mit einer erheblichen Zahl von Todesopfern in den Märzkämpfen verbunden war“, sagt Bezirksbürgermeister Michael Grunst. Für Berlin wird offiziell von 1200 Opfern ausgegangen. Im Lichtenberger Rathauspark erinnert an der Mauer des ehemaligen Gemeindefriedhofs ein Gedenkort an elf dieser vergessenen Revolutionsopfer. Acht Namen und „drei unbekannte Matrosen“ sind auf zwei Bronzetafeln verewigt. Die Tafeln wurden 1957 angebracht. Unter weiteren Opfern waren auch zwei Minderjährige und eine Frau. Ihre Todestage jähren sich am 12. und 13. März.

Das geschah im März 1919: Entlang der Großen Frankfurter Straße – der heutigen Karl-Marx-Allee, bis zum Schlesischen Bahnhof, dem heutigen Ostbahnhof, hatten sich ab dem 6. März Aufständische hinter Barrikaden verschanzt. Ein Großaufgebot an militärischer Macht hatte zuvor auf Anweisung der Reichsregierung am Alexanderplatz interveniert, als ein Generalstreik in gewaltsame Proteste und Plünderungen abglitt und von den Initiatoren der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) abgebrochen wurde. Schon mit Beginn des Streiks hatte die Reichsregierung den Belagerungszustand ausgerufen. Die Presse beschwor einen „spartakistischen“ oder „kommunistischen Umsturzversuch“ herauf. Um der „Spartakisten“ habhaft zu werden, kamen Feldgeschütze, Mienen- und Flammenwerfer zum Einsatz. Aus Flugzeugen wurden – wie in einem militärischen Feldzug – die am Boden befindlichen Truppen geleitet. Wie der Direktor der Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke in Lichtenberg, Gustav Tremus, sagten viele über die Aufständischen: „Es sind keine Spartakisten, sondern eigentliche Verteidiger von Lichtenberg, die jetzt kämpfen. Matrosen, Zivilleute und Leute in Uniform.“ Im Bezirk wurden nachweislich mehrere Todesurteile im Gasthof „Schwarzer Adler“ durch das Freikorps Hülsen gefällt und vollstreckt. Es führte damit den von Gustav Noske erlassenen Schießbefehl aus. Das Lokal befand sich etwa dort, wo heute der Zugang zum Wohngebiet Frankfurter Allee Süd die Hochhausfront mit einem schmalen Gang durchbricht. Unter den Verurteilten waren auch die Brüder Albert und Fritz Gast. Ihre Mutter wohnte in der Gürtelstraße. Bei ihr hatten sie sich versteckt als weiterer Widerstand zwecklos war. Sie wurden in der Wohnung verhaftet. Die Witwe von Fritz Gast erinnerte im Jahr 1957: „Fritz und Albert Gast wurden zum Standgericht geschleppt. Zwei Stunden später… Die junge Frau Gast ging zu ihrem Küchenfenster mit dem Blick zum Friedhof Möllendorffstraße. Sie versucht, sich zu beruhigen. Aber es gelingt ihr nicht, denn sie weiß, der Befehl von Noske lautet: Wer kämpfend mit der Waffe in der Hand angetroffen wird, ist zu erschießen. Sie wartet auf ihren Mann. Plötzlich sah sie zwischen Gräbern eine Eskorte auftauchen. Von Schwerbewaffneten umgeben, ein Offizier an der Spitze, wird eine Gruppe Gefangener, blutend, die Hände über den Kopf gelegt, mit Kolbenstößen zur Mauer getrieben. Sie hörte noch Schüsse peitschen, dann brach sie zusammen.

Am anderen Morgen ging der Schwiegervater zum Standgericht im Schwarzen Adler, um die Mörder zu bitten, die Brüder wenigstens einsargen zu können. Doch welch ein Schreck, die Brüder sind in der Nacht verschleppt worden. Endlich fanden wir sie in der Leichenhalle auf dem Friedhof in Rummelsburg.“ (Lichtenberger Echo, August 1957). Mit Folterungen und „standrechtlichen“ Erschießungen in Lichtenberg wurde die Revolution 1918/1919 in Berlin beendet.

Foto: Museum Lichtenberg