Bezirksstadtrat Wilfried Nünthel (CDU): Porträt zum 25-jährigen Dienstjubiläum.

Büromensch, Waldarbeiter, Fischzüchter – an Bezirksstadtrat Wilfried Nünthel (CDU) gibt es die unterschiedlichsten Seiten zu entdecken. Seit 25 Jahren ackert er im öffentlichen Dienst. Vor kurzem hat Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Die Linke) den aktuellen Bezirksstadtrat für Schule, Sport, Öffentliche Ordnung, Umwelt und Verkehr für seine engagierte Arbeit in der Verwaltung geehrt – mit einer Urkunde und einem Bäumchen vom Bezirksamtskollegium.
„Nichts bleibt so, wie es ist“, lautet das Motto des 62-jährigen Wilfried Nünthel, dessen Lebensweg von Thüringen nach Berlin führte. Geboren in Gera, wuchs der kleine Wilfried mit drei Geschwistern im 300-Einwohner-Dorf Lindenkreuz auf. Die Eltern waren LPG-Mitglieder und bewirtschafteten nebenbei in der Frühe und am späten Abend ihren eigenen kleinen Hof. Wilfried wollte wie sie in die Landwirtschaft und ebendies an der Martin-Luther-Universität in Halle studieren. Den Platz hatte er sicher. Aber nur, bis er das Halbjahreszeugnis zum Abitur an die Uni schickte: Wegen einer fünf in Russisch wurde Wilfried Nünthel wieder von der Zulassungsliste gestrichen.

Und so startete der Abiturient sein Berufsleben als ungelernter Meliorationsarbeiter: Er fuhr Straßenwalzen und bediente Bagger, baute Wege und Straßen für die Landwirtschaft. Kurz darauf lernte er Christine aus dem Nachbardorf kennen, mit der er heute noch verheiratet ist. 1977 wechselte Wilfried Nünthel in einen familienfreundlicheren Job und wurde jüngster Mitarbeiter im Bezirksvorstand der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands (DBD) in Gera. 1981 rief ihn der Parteivorstand der DBD in die Hauptstadt. Und so zogen Wilfried, Christine und ihr dreijähriger Sohn nach Marzahn. „Der Wechsel vom beschaulichen Dorf in die Großstadt war ein regelrechter Kulturschock für mich. Ich wohnte fortan in einem riesigen Haus mit zehn Eingängen und hunderten Menschen. Alle hatten keine Zeit, rannten zur S-Bahn und zur Straßenbahn. Ich brauchte zwei Jahre, um mich an die neuen Verhältnisse zu gewöhnen. Dann rannte ich mit“, sagt er heute schmunzelnd.

Neben der Arbeit begann der junge Mitarbeiter für Erwachsenenqualifizierung 1983 mit dem Philosophie-Fernstudium an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Kurz vor der Wende schloss er es ab. Im Studium lernte Wilfried Nünthel neugierig zu sein, Fragen zu stellen und nachzuhaken. Das macht ihn noch heute aus.
So gehörte er als junger Marzahner Stadtbezirksverordneter im Herbst 1989 einem Untersuchungsausschuss an, der aufklären sollte, wie und warum um den 7. Oktober herum Demonstranten willkürlich verhaftet und tagelang festgehalten wurden. Danach saß er bis zu dessen Auflösung im April 1990 mit am „Runden Tisch Marzahn“. Seine Mitglieder kämpften für Demokratie. Im Sommer 1990 trat der Konfessionslose dann als eines von wenigen DBD-Mitgliedern in die CDU ein. Seinen Job im Parteivorstand behielt er nur bis zum Dezember. Dann kam die Kündigung.

Arbeitslos war er nicht lange

Seinen ersten Job im öffentlichen Dienst trat er im Dezember 1991 an. Er baute die neue Wohnhilfe des Sozialamtes Marzahn auf. „Als Wohnhelfer musste ich verhindern, dass die Mieter ihre Wohnung verlieren.“ Die existenziellen Sorgen anderer haben ihn geprägt. Dort hat er wohl den aufmerksamen, offenen und unaufgeregten Blick für spätere Ämter wie als Sozialstadtrat in Lichtenberg, als Geschäftsführer im Job-Center Treptow-Köpenick oder als Leiter des Sozialamtes in Marzahn-Hellersdorf gewonnen.

Claudia Schirrmeister ist Leiterin des Sozialamtes Lichtenberg. Sie kennt ihn schon lange. Mal war er ihr Vorgesetzter, mal ihr Kollege. Sie sagt: „Ich mag seine Intelligenz und die Art, sich in Themen einzuarbeiten, seine vertrauensvolle Zusammenarbeit und seinen Humor. Wilfried Nünthel ist unkompliziert und bodenständig.“ So einen kann man überall gebrauchen.

Wilfried Wilfried Nünthel lebt noch immer in Marzahn, im Biesdorfer Reihenhaus mit Garten. Sowohl in Marzahn als auch in Lichtenberg war er für Stadtentwicklung zuständig. In den 1990ern musste Wilfried Nünthel in Marzahn auf den Wegzug vieler Menschen reagieren und in Lichtenberg zwischen 2011 und 2016 den Wohnungsbau ankurbeln. Mancher Neubau sei zwar „kein architektonisches Meisterwerk, aber zweckmäßig“, erklärt er pragmatisch. Dass sich ein Stadtrat für Stadtentwicklung nicht nur Freunde macht, hat er zu spüren bekommen. Bürgerinitiativen unterstellten ihm, er habe zusammen mit der Howoge das Bebauen eines Innenhofes an der Paul-Zobel-Straße eingefädelt. Da half auch kein Reden, dass Eigentümer wie die Howoge auf ihren Grundstücken bauen dürfen, was sie möchten. „Ändern lässt sich das nur durch Bebauungspläne, die eine Bürgerbeteiligung von vornherein vorsehen“, erklärt Wilfried Nünthel.

Seit Dezember 2016 ist er im Bezirk für die Schulen und den Sport zuständig: „Wir setzen in den nächsten Jahren Investitionsmittel in Höhe von 50 Millionen Euro vorrangig für den Bau und die Sanierung von Schulen und Sporthallen ein.“ Umwelt und Natur liegen dem Stadtrat besonders am Herzen. Eine seiner Lieblingsecken ist der Landschaftspark Herzberge: „Mitten in der Stadt konnte ein großes Gelände renaturiert und zum Teil als Schafweide genutzt werden.“ In seiner Freizeit zieht es den 62-Jährigen regelmäßig zurück ins Thüringische. In Lindenkreuz, dem Ort seiner Kindheit, bewirtschaftet er einen eigenen Karpfenteich und einen eigenen Wald. „Darum muss ich mich regelmäßig kümmern. Im Urlaub gehe ich mit der Kettensäge in den Wald und lichte aus. Oder ich pflanze nach.“

Eigentlich wollten Wilfried Nünthel und seine Frau im Alter zurück nach Thüringen. Doch der Tod seines Vaters hat ihre Einstellung zum Lebensabend auf dem Land verändert. „Wir haben aus der Ferne erlebt, was es heißt, im Alter in einem Dorf zu leben und wie beschwerlich Einkäufe und Arztbesuche für alte Menschen sind.“ Und da Wilfried Nünthel in seinem Leben schon oft umgedacht und umgeplant hat, steht jetzt fest: „Wir bleiben in Berlin!“

Carmen Weber, Foto: Privat