Ein Nachruf auf den „Vater aller Plattenbauten“ Wilfried Stallknecht.

Holz und Beton – diese zwei Werkstoffe bestimmten den Lebensweg von Wilfried Stallknecht. Sein Lebensweg begann am 12. August 1928 im sächsischen Geringswalde und endete im Dezember vergangenen Jahres im Fennpfuhl in Berlin-Lichtenberg. Der Großvater ist Holzbildhauermeister, der Vater gründet 1932 eine „Uhren- und Tischfabrik“, in der Wilfried Stallknechts lebenslange Beziehung zu Holz als Werkstoff beginnt. Der Zweite Weltkrieg beendet seine schulische Laufbahn, die eigentlich zum Abitur führen sollte. Trotzdem absolviert er von 1946-1948 erfolgreich eine Tischlerlehre und ist danach als Geselle mit der Herstellung von Wohn-

und Küchenmöbeln betraut.

 

Schon 1949 kann er endlich ein Studium als Innenarchitekt an der Fachschule für angewandte Kunst in Erfurt beginnen. Doch der gebürtige Sachse gibt das Eine nicht für das Andere auf – parallel zum Studium vervollkommnet er seine Fähigkeiten als Tischler und besteht die theoretische wie auch die praktische Meisterprüfung vor der IHK Chemnitz.

Kurz darauf wird Berlin zu seinem Arbeits- und Lebensmittelpunkt. Er beginnt 1952 beim VEB Projektierung und erhält zunächst Aufgaben als Innenarchitekt. Dazu gehört unter anderem der Innenausbau des großen Saales der heutigen HTW in Karlshorst. Im Jahr darauf folgt ein Institutswechsel. Jetzt geht es um Wohnungsbau, genauer um die Ent

Wilfried Stallknecht ist für viele nach wie vor der „Vater aller Plattenbauten“.Foto: Rainer Bosse

wicklung von Bautypen für eine künftig industrialisierte Bauweise in der DDR. Zu dieser Zeit dominieren Ziegel und bald darauf auch Beton als Werkstoff. 1958 entwickelt Wilfried Stallknecht die Eigenheimserien EW 54 und EW 58. Beide Typen bestimmen fortan, und bis zu ihrem Ende 1990, maßgeblich den Eigenheimbau in der DDR.

Im Jahr 1959 folgt der Wechsel zur Bauakademie. Erste Formen industriellen Bauens haben inzwischen mit der Großblockbauweise und der Plattenbauserie P1 im Wohnungsbau Einzug gehalten. Der Durchbruch zum Massenwohnungsbau gelingt jedoch erst mit der Serie P2, die Wilfried Stallknecht gemeinsam mit seinen Architektenkollegen Achim Felz und Herbert Kuschy entwickelt. Es entstehen erste Versuchsbauten, darunter der heute unter Denkmalschutz stehende Bau in der Erich-Kuttner-Straße 9-15 im Lichtenberger Stadtteil Fennpfuhl. 1962 besuchen in diesem Haus mehr als 30.000 Neugierige die Ausstellung „neues Leben – neues Wohnen“ und frisch verheiratet zieht auch Wilfried Stallknecht dort ein. Über 360.000 P2-Wohneinheiten werden gebaut und die vom gleichen Architektenkollektiv daraus als „Plattenbau 69“ entwickelte Nachfolgeserie sorgt unter dem Namen WBS 70 mit fast 645.000 Einheiten dafür, das Stallknecht nach Wohnungen gerechnet „Plattenbaumillionär“ wird und später den humorigen Beinamen „Vater aller Plattenbauten“ erhält.

Als Bewohner ist er der „Platte“ wie auch „seinem Fennpfuhl“ treu geblieben. Alle seit 1990 amtierenden Lichtenberger Bezirksbürgermeisterinnen und Bürgermeister haben von ihm bis zuletzt Post bekommen. Darunter einige beratende und empfehlende, aber immer wieder auch kritische Briefe. Stets höflich im Ton, aber klar und deutlich in der Sache. Seine Stimme wird fehlen, wenn es künftig um Stadtentwicklungsfragen geht.

Text & Fotos: Rainer Bosse