Erstes „Alpha-Bündnis” im Bezirk gegründet

Erwachsene, die nicht lesen und schreiben können, aus der Außenseiterrolle zu holen, ist eines der Ziele des neu gegründeten Lichtenberger „Alpha-Bündnisses”. Unter der Schirmherrschaft von Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Die Linke) und Sozialstadträtin Birgit Monteiro (SPD) haben sich das Lichtenberger Bezirksamt und das Jobcenter Lichtenberg, das Grundbildungszentrum Berlin und weitere Interessierte, Initiativen und Akteure aus der Region zusammengeschlossen.

Sie wollen gemeinsam versuchen, die alarmierend hohe Zahl von Analphabeten im Bezirk zu reduzieren. „Wir wollen die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren, Ängste bei Betroffenen abbauen und Analphabetismus als Tabuthema auflösen”, erklärt der Bezirksbürgermeister. Geschehen soll das durch Vernetzen der genannten Partner im Bezirk. „Sie sollen gemeinsame Handlungsstrategien entwickeln, um Betroffene aufzufangen und Grundbildung für alle Menschen abzusichern”, sagt er. Immerhin sind laut einer Studie der Uni Hamburg von 2012 gut 14,5 Prozent aller im Bundesgebiet lebenden Erwachsenen funktionale Analphabeten. In Lichtenberg können demnach rund 26.000 Menschen lediglich einzelne Worte erkennen und schreiben, sind aber nicht in der Lage, Warnhinweise oder Zusammenhänge in kurzen Texten zu entschlüsseln. Sie alle leben in der ständigen Angst, womöglich als „dumm” angesehen zu werden: „Viele vermeiden Situationen, in denen sie lesen und schreiben müssen, und sind oft auch auf Begleitpersonen angewiesen”, erklärt Ingan Küstermann.

Sie ist freie Dozentin beim Grundbildungszentrum Berlin und unterrichtet Analphabeten zwischen 18 und 65 Jahren: „Drei Mal pro Woche mindestens anderthalb Stunden und das ein Jahr lang, das hilft”, erklärt sie. Viele Analphabeten kommen in ihrem ganzen Leben nicht aus ihrem Kiez heraus.

Denn überall lauert die Gefahr der Überforderung durch geschriebene Worte, die ihnen nichts sagen. „Wenn Menschen sich beim Jobcenter weigern, einen Fragebogen auszufüllen, sollten wir mit ihnen sensibel umgehen. Sonst laufen sie womöglich weg, obwohl sie Hilfe brauchen”, weiß Ingan Küstermann. Auch Birgit Monteiro warnt: „Gerade im Zuge der Digitalisierung wird es für betroffene Menschen immer schwieriger, den Anforderungen der Arbeitswelt aber auch des Soziallebens gerecht zu werden.” Das neue Alpha-Bündnis-Lichtenberg möchte dem entgegen wirken und lädt Interessierte, Initiativen und Akteure herzlich dazu ein, dem Bündnis beizutreten. Mehr Infos dazu: alpha.lichtenberg@vav-hhausen.de

Foto: bbr